Brot durch Spiele: Wie eSports-Teams Geld verdienen

Das Ökosystem eSports ist komplex – und mittlerweile ein Milliardengeschäft. Im Mittelpunkt stehen eSports-Organisa­tionen mit ihren oft umfangreichen Teams moderner Gladia­toren. Der Wettbewerb zwischen den Clans ist hart: Wer esport­lich besonders erfolgreich ist, erhält nicht nur die höchsten Preisgelder, sondern auch die besten Vermark­tungs­verträge. Wie positionieren sie ihre Marke, worauf achten sie bei Sponsoren­verträgen – und wie aktiv sind sie bei Merch und Apparel? Darüber haben wir mit VertreterInnen dreier großer eSports-Organisa­tionen gesprochen.
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Hauptsponsor Telekom: das LoL-Team von SK Gaming

1,1 Milliarden US-Dollar: So viel Gesamtumsatz prophezeite der Marktforscher Newzoo dem weltweiten eSports-Geschäft im Jahr 2020. Auch wenn Corona für die Absage zahlloser Vor-Ort-Turniere sorgte, boomt das Geschäft mit dem digitalen Sport weiter – nicht zuletzt deshalb, weil in Pandemie-Zeiten immer mehr Menschen spielen und Streams schauen. In IGM 09/2020 haben wir bereits ausführlich über den Markt für eSports-Bekleidung ("Apparel") berichtet. Im vorliegenden Artikel soll es nun um die grundlegenden Strategien der eSports-Organisationen gehen. Sie stehen im Zentrum eines Ökosystems, bei dem die Interessen unterschiedlichster Player ineinandergreifen – ob das nun Fans, Spiele-Publisher, Ligenbetreiber, Sponsoren, Content-Produzenten oder sonstige Werbetreibende sind.

Strategische Herausforderung
Bei den eSports-Organisationen laufen alle Fäden zusammen – was die Clans vor eine große strategische Herausforderung stellt. Dabei haben die Organisationen ganz unterschiedliche Hintergründe: Manche haben eine lange Tradition und sind von frühen eSportler-Gruppierungen zu waschechten Wirtschaftsunternehmen aufgestiegen. Andere wiederum wurden durch ihre Erfolge in vergleichsweise neuen eSports-Diszplinen schlagartig berühmt. Und dann gibt es natürlich noch die Teams, die unter der Flagge ganz bestimmter Sponsoren oder Sportvereine in ganz bestimmten Disziplinen antreten, zum Beispiel in Fifa. Hier soll es um die Marketingstrategie von Organisationen gehen, die mit mehreren Sponsoren und unterschiedlichen eSports-Disziplinen jonglieren. Denn ihre Eigenvermarktung ist besonders anspruchsvoll – und damit auch besonders spannend. Unsere Wahl fiel auf die bekannten deutschen Vertreter SK Gaming und G2 Esports – sowie auf Team Liquid aus den USA. Wie gelingt es diesen Organisationen, sich gewinnbringend am Markt zu positionieren?

Immer wieder selbst neu erfinden

SK Gaming wurde bereits 1997 gegründet – und ist damit die älteste aktive eSports-Organisation Deutschlands. Die GmbH mit Hauptsitz in Köln unterhält Teams in unterschiedlichen eSports-Disziplinen, zum Beispiel in Fifa, Clash Royale, Brawl Stars und natürlich League of Legends. Zu den Sponsoren zählen Firmen wie die Deutsche Telekom, Mercedes-Benz, ARAG, EPOS (vgl. IGM 10/2020) und – seit August – auch Krombacher. Doch nach welchen Kriterien wählt SK Gaming eigentlich seine Sponsoren aus? Für Unternehmensinhaber Alexander Müller ist die Auswahl eng an die Bedürfnisse der Teams geknüpft. "Nehmen wir die Telekom als Beispiel", sagt er. "Unsere Spieler benötigen top Internet und Stabilität. Sowohl die Internetleitungen in unseren Leistungszentren als auch die Mobilfunktarife für unsere Mobile Gamer sind mit Abstand das beste, was man als Gamer bekommen kann. Somit ist die Telekom ein absolut logischer Partner für uns." Mit der Telekom ist SK Gaming noch einen Schritt weiter gegangen – und hat den Internet-Konzern zum Gesellschafter gemacht. Ein anderes Kriterium für die Sponsorenwahl sei die Gesundheit der Spieler, so Müller: "Sport gehört hier dazu. Nike ist eine absolut logische Konsequenz in dieser Betrachtung und der perfekte Partner."

Am Puls der Zeit
Über die Jahrzehnte seines Bestehens hat sich SK Gaming einen erstklassigen Ruf erarbeitet – eben nicht nur auf sportlicher Ebene, sondern auch als Geschäftspartner. Gleichwohl müsse die Organisation "stark darauf achten, dass wir auch immer am Puls der Zeit in einem sehr dynamischen Markt bleiben, uns also in gewisser Form immer wieder selbst neu erfinden", betont Müller. "Alles im Einklang zu halten ist unsere wichtigste Aufgabe". Corona habe die Arbeitsweise der Firma kaum beeinflusst: "Wir haben ein paar zusätzliche Assets aufgebaut, vor allem im Streaming-Bereich, um flexibler agieren zu können. Aber mehr hat sich nicht wirklich geändert."

G2 Esports ist deutlich jünger als SK Gaming: Das Unternehmen wurde 2015 in Berlin vom früheren Weltklasse-LoL-Spieler Carlos "ocelote" Rodriguez und von eSports-Entrepreneur Jens Hilgers (Bitkraft) gegründet. G2 Esports mischt unter anderem in den eSports-Disziplinen Valorant, LoL, CS:GO, Fortnite, Rocket League und Sim Racing mit. Zu den Sponsoren der Organisation zählen BMW, Logitech, AOC und Philips. "Bei uns dreht sich alles um Entertainment. Wir konzentrieren uns voll darauf, unsere Community zu unterhalten – und charakterisieren uns dabei als respektlos, lustig, verspielt und frech", sagt Commercial Director Lindsey Eckhouse. "Diese Eigenschaften springen einem förmlich entgegen, wenn man sich die Inhalte und die Kommunikation von G2 anschaut." Sponsoren spielen laut Eckhouse  für G2 eine enorm wichtige Rolle: "Wir schätzen uns glücklich, mit einem Portfolio an Blue-Chip-Marken zusammenarbeiten zu können." Bei der Wahl der Sponsoren konzentriere sich G2 darauf, "Herausforderungen zu meistern, die richtige Story zu erzählen, den SpielerInnen einen Mehrwert zu geben – oder auch, der Community einzigartige Zugangsmöglichkeiten und Erlebnisse zu bieten." Will heißen: Auf Twitter, Youtube und Co. wird konsequent mit den Fans kommuniziert.

Wahlweise subtil oder durch Produkte mit klarer Marken­kennung

Wachsender Geschäftszweig
Merchandise gehört zu den am schnellsten wachsenden Geschäftszweigen von G2 E­­sports. Das Portfolio umfasst Wettkampfausrüstung, Essentials, Lifestyle-Kollektionen, Homegoods (Tassen, Trinkflaschen etc.) und Zubehör. "Dieser Geschäftszweig und die Arbeit mit den richtigen Partnern gehört zu unseren wichtigsten Schwerpunkten. Wir optimieren das KundInnenerlebnis und lassen die Fans unsere eCommerce-Präsenz erkunden", sagt Eckhouse. Auf der Website sieht man, wie G2 dabei vorgeht: Unter der Rubrik "Shop" finden sich großflächige Einstiegsbilder zu den unterschiedlichen Produktkategorien, in denen die Fans dann nach Herzenslust stöbern können. Für G2 ist es wichtig, modisch immer wieder neue Akzente zu setzen: Gerade erst letzte Woche hat das Unternehmen eine neue Kollektion auf den Markt gebracht, die "Code Collection" – inklusive Long-Sleeve-Shirts und T-Shirts.

Für SK Gaming zählt der eigene Shop zu den wichtigsten Vertriebskanälen. "Darüber hinaus ist alles, was wir hier zeigen, auch auf den großen Events verfügbar", so Alexander Müller. "Also gamescom, ESL One Events und so weiter, da die ESL all unsere Produkte auch im Portfolio hat." Bei Apparel arbeite man eng mit den Partnern 11 Teamsport und Nike zusammen, so Müller. "Das Ganze werden wir in Zukunft durch ergänzende weitere Produkte anreichern."

Etliche Kollektionen
Auch für Team Liquid spielen Merch und Apparel eine wichtige Rolle: Auf der Website finden sich etliche Kollektionen, die wiederum fein säuberlich nach Produktkategorien filterbar sind. Team Liquid zählt zu den bekanntesten und erfolgreichsten eSports-Clans der Welt: Zum Jahrtausendwechsel im niederländischen Utrecht gegründet, tritt der Clan mittlerweile mit über 100 AthletInnen in insgesamt 18 Disziplinen an, darunter Valorant, Rocket League, DotA 2, League of Legends, CS:GO, Rainbow Six: Siege und Fortnite. Zu den Sponsoren des Clans zählen Alienware, SAP, Honda und Twitch. Im eShop biete Team Liquid seinen Fans ein breites Sortiment an Apparel mit eigenem und Co-Branding, an Gaming-Zubehör und Mode-Accessoires, so ein Firmensprecher gegenüber IGM. "Beispiele für Kollektionen sind Heritage, LQD, LIQUID x Marvel, Dark Horse und HBox. Letzteres ist von Juan ‚Hungrybox' Debiedma inspiriert, einem Superstar in Super Smash Bros. Alle diese Kollektionen haben sich als äußerst populär erwiesen."

Team Liquid versucht mit Apparel auch Zielgruppen jenseits der traditionellen Gamer-Schar zu erreichen – zum Beispiel mit der sehr lässigen, alltagstauglichen LQD Collection. "Durch Apparel und Merchandise können Fans ihre Zugehörigkeit und ihre Unterstützung zeigen", so der Sprecher. "Und sie können das auf die Art und Weise tun, wie es ihnen am besten gefällt – wahlweise subtil oder durch Produkte mit klarer Markenkennung." Auch bei Accessoires ist Team Liquid breit aufgestellt: Der Clan verkauft unter anderem Mousepads, Masken, Untersetzer, Hüte und Crossbody Bags. Ebenfalls zum Portfolio zählen die Team Liquid Gaming Chairs, Spezialanfertigungen des Sponsoring-Partners Secretlab. Wer will, kann sich also nahezu lückenlos mit Clan-Merch eindecken. Kürzlich hat Team Liquid auch eine Plüschversion seines beliebten Maskottchens Blue veröffentlicht. Man sei die erste e­Sports-Organisationen, die den Markt für Marken-Plushies erschließe, so der Firmensprecher stolz.

Enormes Kommer­­ziali­sierungspotenzial

Lieferung an Fan-Hubs
Wichtigster Distributionskanal für Team Liquid ist eindeutig sein Online-Store. Darüber hinaus beliefert das Unternehmen mehrere internationale Fan-Hubs, in China beispielsweise über seine Partnerschaft mit Taobao, in Brasilien über den Partner Ebanx. "Team Liquid möchte eine Marke sein, die Fans auf allen Ebenen und in der ganzen Welt ansprechend und zugänglich finden", so der Firmensprecher. Man baue auf die Zusammenarbeit mit Verticals und Properties, um die Marke auch bei neuen Zielgruppen bekannt zu machen. eSports-Apparel werde auch künftig einer der wichtigsten Trends im Marketing von eSports-Teams sein. Speziell in der Corona-Pandemie könne Team Liquid über Apparel und Merch mit bestehenden Zielgruppen in Kontakt bleiben und auch neue Zielgruppen erschließen. "Durch diese Kollektionen wird die Marke Liquid auch jenen Fans zuteil, die nicht an Live-Events teilnehmen oder ein Team persönlich treffen können. Das ist momentan wichtiger als je zuvor." Auch sonst lässt der Clan die Corona-Krise nicht untätig verstreichen. "Die Pandemie hat Team Liquid zur Abkehr von persönlichen Aktivierungen und persönlicher Präsenz gezwungen", so der Sprecher. "Aber sie hat auch neue virtuelle Plattformen und Interaktionsmöglichkeiten aufgetan." Bereits im März veranstaltete Team Liquid ein achttägiges "Quarathon"-Streaming-Event, um die Hilfsorganisation Direct Relief mit Spenden zu unterstützen. Der Clan produzierte mehr dabei als 285 Stunden Strea­ming-Content, der von über zwei Millionen Menschen auf 49 verschiedenen Streams verfolgt wurde. Es kamen exakt 78,529 USD an Spenden zusammen.

Für G2 Esports hat sich die Eigendarstellung in der Corona-Krise laut Lindsey Eckhouse "nicht grundlegend verändert": "Ich schätze mich glücklich, in einer relativ ‚coronafesten' Industrie zu arbeiten." Natürlich seien etliche Turniere ins Netz verlegt oder abgesagt worden. Außerdem werde mehr von zuhause aus gespielt und Inhalte würden remote erschaffen. "Aber G2 ist auf diesen Ansatz der schnellen, guten Remote-Arbeit umgeschwenkt", sagt Eckhouse. Dass mehr Menschen in der Pandemie zuhause blieben, sei sogar ein Vorteil: "Das zeigt sich in steigenden Viewer-Zahlen und einer wachsenden Beteiligung über alle Kanäle hinweg."

Großer Talent-Pool
Eckhouse ist überzeugt, dass es bei G2 noch "enormes Kommerzialisierungspotenzial" gibt: "Letztlich arbeiten wir ja mit einigen der begabtesten Leuten der Welt zusammen. Die Player und Content Creator aus diesem Talent-Pool haben in ihrem Werdegang gelernt, wie man streamt, wie man sich dem Publikum auf sehr echte, sehr authentische Art und Weise widmet. Das ist ein unwahrscheinlich starker Ausgangspunkt." In den vergangenen Monaten hätte sich zudem eine Reihe von Trends herauskristallisiert: "Zum Beispiel, dass Teams große Creator oder Streamer anheuern, um Publikum aufzubauen. Oder auch eine noch zielgerichtete Wertschöpfung, eine bessere Datennutzung und ein stärkerer Fokus auf langfristige Partnerschaften." Auch Team Liquid sucht nach weiteren Allianzen, um seine Marke noch bekannter zu machen. "ESports wächst weiter", so der Sprecher des Unternehmens. "E­­Sports-Organisationen müssen sich sehr gut überlegen, wie sie sich gegenüber neuen Zielgruppen präsentieren." Immer mehr Entertainer, Musiker und traditionelle Sportakteure – also AthletInnen, Teams und Ligen – näherten sich eSports an. "Team Liquid ist bereit, mit ihnen und ihren Fans Partnerschaften einzugehen." Schon bald werde man auch in Utrecht ein neues Trainingszentrum eröffnen: "Team Liquid glaubt, dass die Schaffung solcher Einrichtungen ein neuer und wichtiger Trend ist, mit dem sich die Infrastruktur ausbauen und das weltweite e­Sports-Wachstum fördern lässt."

Auch SK Gaming will mehr sein als ein reines Entertainment-Produkt. "Man muss ein klares Profil haben. Bei uns ist das sehr klar", konstatiert Alexander Müller. "Unsere Spieler werden ganzheitlich betreut: Ernährung, Sport, psychologische Betreuung. Wir sehen uns in der Verantwortung zu zeigen, wie professionell eSport bereits ist und wie professionell es gelebt wird." Fazit: Esports boomt weiter – aber auf deutlich mehr Ebenen als bisher. (Achim Fehrenbach)

IGM 11/20
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