Wo das Monster lauert: Toxicity in Games – und was man dagegen tun kann

Beleidigungen, Bedrohungen, Diskriminierung, Belästigung – oder auch das ungefragte Teilen privater Daten in öffentlichen Foren: Toxicity in Games kann viele verschiedene Formen annehmen. Für die Betroffenen ist toxisches Verhalten oft mit psychischen und körperlichen Belastungen verbunden. Die Techniker Krankenkasse setzt sich für die Gesundheit ihrer Versicherten ein und engagiert sich deshalb auch im Kampf gegen Gaming-Toxicity – zum Beispiel bei der gamescom in Köln.
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Copyright: Demodern
Copyright: Demodern

Ein stacheliger, schuppiger Körper, ein riesiges Maul voll scharfer Zähne – und leuchtend rote Augen, die durchdringend und böse funkeln: das ist Malice. Von einer großen LED-Wand blickt das „toxic monster“ herab auf die Menschenmenge, die sich durch die Hallen der gamescom wälzt. Malice hat das Ziel, die Gaming-Community zu zerstören – dafür reist das Monster durch Online-Spiele und sammelt toxische, hasserfüllte Kommentare, die User in den Chats und Foren posten. Malice kann die Hate Speech in einer mächtigen Waffe speichern – sobald die Waffe aufgeladen ist, sendet das Monster einen tödlichen Strahl negativer Energie aus, der weithin Chaos und Zerstörung verbreitet. Nun ist es an den Messe-Besuchern, dem toxischen Treiben ein Ende zu setzen: Sie können das Monster mit positiver Energie bekämpfen, die aus freundlichen und respektvollen User-Kommentaren stammt. Vielleicht gelingt es ihnen ja, Malice in ein kleines, niedliches Knuddelmonster zu verwandeln – und so den Zusammenhalt in der Community zu stärken.

Rat und Hilfe
Mit dem spektakulären Spiel – entwickelt von der Kölner Digitalagentur Demodern – will die Techniker Krankenkasse auf ein Problem aufmerksam machen, das in der Gaming-Welt weit verbreitet ist. Toxisches Verhalten gehört in vielen Online-Communities zur Tagesordnung – das kann weitreichende physische und psychische Folgen für die Betroffenen haben. „Neben der körperlichen Gesundheit ist uns als Krankenkasse natürlich auch die mentale Gesundheit der Versicherten sehr wichtig“, sagt Catharina Tamm, Marketing-Managerin der TK. „Toxicity in der Gaming-Community ist ein hochaktuelles Thema. Daher engagieren wir uns als TK auch bei diesem Thema.“ Bei der diesjährigen gamescom will die Krankenkasse darüber aufklären, wie SpielerInnen mit Toxicity umgehen können. „Wir und unsere Partner bieten akute Hilfestellungen und Unterstützung für Betroffene – und geben ihnen ganz gezielt Strategien, Tipps und Tricks, die beim Umgang mit Hass im Netz helfen“, erläutert Tamm. Der TK-Stand (Halle 10.1, F029) wird nicht nur den spielerischen Umgang mit dem Thema ermöglichen – also den Kampf gegen das Monster Malice. Vor Ort können sich MessebesucherInnen auch von krisenchat allgemeine Fragen zum Thema „Toxicity“ beantworten lassen. Die Non-Profit-Organisation bietet Menschen unter 25 Jahren niedrigschwellige, vertrauliche und kostenlose psychosoziale Ersthilfe im Netz an – und ist offizieller Partner von „gamescom cares“. Außerdem sind am TK-Stand Mitglieder von Unicorns of Love zu Gast. Die TK ist seit diesem Jahr offizieller Gesundheitspartner der Hamburger E-Sport-Organisation, deren Team-Mitglieder in Köln über ihre Erfahrungen mit Toxicity berichten werden.

 

Toxicity in der Gaming-Community ist ein hochaktuelles Thema

 

Dass toxisches Online-Verhalten ein ernstzunehmendes Problem ist, haben bereits etliche Untersuchungen nachgewiesen. Das Bündnis gegen Cybermobbing hat in Kooperation mit der TK zwei Studien zum Thema „Cybermobbing“ durchgeführt, um die Öffentlichkeit für das Problem zu sensibilisieren. Für die Studie „Cyberlife IV“ wurden zwischen Mai und Juli 2022 bundesweit 355 LehrerInnen, 1.053 Eltern und 3.011 SchülerInnen befragt. Die Online-Befragung ergab, dass Cybermobbing bei Kindern und Jugendlichen zwischen acht und 21 Jahren zu einem Dauerproblem geworden ist: 16,7 Prozent der SchülerInnen – also 1,8 Millionen Kinder und Jugendliche – sind davon betroffen; eine Zahl, die im Vergleich zur vorigen Studie aus dem Jahr 2020 (17,3 Prozent) fast unverändert hoch geblieben ist. Cybermobbing hat für die Betroffenen gravierende gesundheitliche Folgen – und zwar sowohl körperlicher als auch psychischer Natur. Die TK-Studie ergab, dass sich die Betroffenen vor allem verletzt fühlen (58 Prozent). 40 Prozent reagierten mit Wut und ein gutes Drittel (34 Prozent) gab an, verängstigt zu sein. Besonders alarmierend: 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen hat aus Verzweiflung über Cybermobbing schon einmal zu Alkohol, Tabletten oder Drogen gegriffen. 24 Prozent äußerten Suizidgedanken – ein erschreckend hoher Wert.

Projekte zur Gewalt­-prävention
Wie aber lässt sich toxisches Verhalten in den Griff bekommen? Am besten ist es, Cybermobbing gar nicht erst entstehen zu lassen. Deshalb unterstützt die TK bereits seit vielen Jahren Projekte zur Gewaltprävention wie etwa das Angebot „Gemeinsam Klasse sein“, aber auch Hilfsangebote für den Akutfall wie beispielsweise krisenchat. Um wirksam Prävention betreiben zu können, ist es zunächst wichtig, die Entstehungsfaktoren und Ausprägungen von Toxicity zu analysieren. „Die Ursachen für Cybermobbing im Gaming-Bereich sind vielfältig“, sagt krisenchat-Psychologe Elias Jessen. „Oftmals spielen Faktoren wie Anonymität, Konkurrenz, Gruppendynamik und das Streben nach Macht oder Dominanz eine Rolle.“ TäterInnen können laut Jessen ganz unterschiedliche Motivationen haben, zum Beispiel persönliche Konflikte, Langeweile oder einen Mangel an Empathie. „Manchmal ist es auch ein Ausdruck von eigenen Unsicherheiten oder Frustrationen“, so der Experte. „Es ist wichtig zu erkennen, dass die Ursachen individuell und komplex sein können.“ Jessens Kollege Mickaël Brunhammer beschreibt, worauf es bei der effektiven Bekämpfung von Cybermobbing ankommt: Nämlich auf Präventionsmaßnahmen, die „auf Sensibilisierung, Bildung, Stärkung von sozialen Kompetenzen und einem respektvollen Umgang im Gaming-Bereich abzielen“. Man müsse junge Menschen dabei unterstützen, Empathie zu entwickeln, Konflikte konstruktiv zu lösen und ein Bewusstsein für die Auswirkungen ihres eigenen Verhaltens zu entwickeln, so Brunhammer. „Nur durch eine Kombination von Aufklärung und Maßnahmen auf individueller, sozialer und struktureller Ebene können wir langfristig gegen Cybermobbing vorgehen.“

Dazu gehört natürlich auch, die Betroffenen mit ihren Erfahrungen nicht allein zu lassen. „Wenn junge Menschen Cybermobbing im Gaming erfahren, ist es wichtig, dass sie darüber sprechen und Unterstützung suchen“, betont Elias Jessen. Der krisenchat-Psychologe rät Betroffenen auch, Beweise für das Cybermobbing zu sammeln – zum Beispiel Screenshots oder Chat-Protokolle, die das toxische Verhalten dokumentieren. „Es ist hilfreich, sich an vertrauenswürdige Personen wie Freunde, Familie oder Lehrer zu wenden und das Problem zu teilen“, so Jessen. Als Anlaufstelle stehe dabei krisenchat zur Verfügung.

 

Anonymität, Konkurrenz, Gruppendynamik

 

Formenreiches Monster
Toxicity in Games kann viele verschiedene Formen annehmen: Sie reicht von abfälligen und hasserfüllten Kommentaren in Online-Chats bis hin zu missbräuchlichem Verhalten im Spiel selbst. Opfer von Hate Speech werden mit rassistischen, sexistischen, homophoben oder anderweitig diskriminierenden Äußerungen überzogen. Beim „Flaming“ werden die Betroffenen wüst beschimpft und in der Online-Community bloßgestellt – zum Beispiel mit der Begründung, sie würden nicht gut genug spielen. Beim „Doxing“ stellen die TäterInnen private Informationen der Opfer online, zum Beispiel Wohnort, IP- oder E-Mail-Adresse – daraus ergeben sich dann häufig weitere Schikanen. Beim „Griefing“ geht es primär darum, den Opfern den Spaß am Spiel zu verderben – zum Beispiel dadurch, dass sie in einer Online-Partie permanent attackiert oder blockiert werden. Beim „Botting“ schließlich kommen sogar Spam-Bots zum Einsatz, die den Chat oder das private Postfach mit hasserfüllten Botschaften überschwemmen. In Gaming-Communities haben Plattform-Betreiber oft keinen wirklichen Überblick über das Ausmaß solcher Aktivitäten – und ermutigen die TäterInnen sogar indirekt, indem sie die Moderationsregeln nicht konsequent anwenden.

Betroffene sind in solchen Situationen aber keineswegs hilflos: Sie können ganz konkrete Maßnahmen ergreifen, um sich besser vor Cybermobbing zu schützen. Die krisenchat-Experten empfehlen beispielsweise, die Privatsphäre-Einstellungen in Games und auf Social-Media-Plattformen zu überprüfen – und bei Bedarf anzupassen. „Das Blockieren und Melden von TäterInnen kann ebenfalls eine wirksame Maßnahme sein, um sich zu schützen“, sagt Brunhammer. Jessen rät, gegebenenfalls die Plattform-Betreiber zu informieren und um Hilfe zu bitten. Das Dokumentieren des Mobbings sei in jedem Fall besser, als die TäterInnen mit Gegenangriffen zu provozieren. Brunhammer appelliert zudem an ZeugInnen, sich mit den Mobbing-Opfern solidarisch zu zeigen – zum Beispiel, indem man Mobbing meldet und Ressourcen und Hilfsangebote teilt. „Indem man sich gegen Cybermobbing ausspricht, die TäterInnen zur Verantwortung zieht und sich für ein respektvolles Miteinander einsetzt, trägt man dazu bei, die Gaming-Community sicherer und angenehmer für alle zu gestalten.“

UOL am TK-Stand
Die Unicorns of Love (UOL) zählen zu den international erfolgreichsten E-Sport-Organisationen und treten in diversen Disziplinen an – darunter League of Legends, Sim Racing und Valorant; die Gesundheitspartnerschaft mit der TK besteht seit März 2023. Kompetitive Online-Spiele wie League of Legends, Overwatch, Fortnite oder Counter-Strike:GO gelten als besonders anfällig für toxisches Verhalten – Versuche der Betreiber, das Cybermobbing in den Griff zu bekommen, waren bis jetzt nicht wirklich von Erfolg gekrönt. E-Sport-Teams wie UOL gehen die Spiele professionell und sachlich an – genau wie LeistungssportlerInnen in anderen Disziplinen auch. Dennoch bekommen sie es natürlich mit, wenn die betreffende Community toxische Strukturen aufweist. „Der sportliche Wettkampf trägt dazu bei, sich von Emotionen verleiten zu lassen“, sagt Joana Dreher, Head of Sales and Project Development bei UOL. Manche User verlören dann die Fassung – und ließen sich teils auch von anderen Community-Mitgliedern zu verletzenden Aussagen verleiten. Toxisches Verhalten sei häufig in persönlichen Erfahrungen begründet, sagt Dreher. Wer selbst schon Opfer psychosozialer Gewalt geworden sei, gebe diese Erfahrung bisweilen durch eigenes Machtgebaren und durch toxisches Verhalten im Spiel weiter.

 

Ein sichtbares Zeichen gegen Cybermobbing

 

Für professionelle E-SportlerInnen wie die Unicorns of Love ist es wichtig, sich auch mit Toxicity auseinanderzusetzen. „Eingangs geht unser Mentalcoach in Einzelgesprächen mit unseren SpielerInnen die Themen zu Gewalterfahrungen an – und erfragt deren Umgangsstrategien“, sagt Dreher. „Dies wird über das gesamte Jahr beobachtet und stetig aufgefrischt.“ Die UOL-Mitglieder können denn auch jederzeit mit dem Coach und dem Mentalcoach vertrauensvoll über das Thema sprechen. „In fast täglichen Mental-Trainings lernt das Team, mit Erfolgsdruck und Emotionen umzugehen“, erläutert Dreher. Falls Probleme auftauchen, werden gemeinsam Lösungsstrategien erarbeitet. Bei der gamescom will UOL diese Erfahrungen an die Community weitergeben – deshalb werden nicht nur SpielerInnen vor Ort sein, sondern auch Content Creator und das UOL-Management. „Toxizität tritt in vielen Varianten auf“, sagt Dreher. „Wir machen gerne darauf aufmerksam, um Toxizität in Zukunft keinen Raum mehr zu geben.“

Spielerische Herangehensweise
Das toxische Monster Malice wird bei der gamescom dazu dienen, die MessebesucherInnen spielerisch an das Thema heranzuführen. „Die SpielerInnen treten als SuperheldInnen gemeinsam gegen Malice an“,  so Catharina Tamm. „Sie können das Monster im Kampf schwächen und in ein niedliches und friedliches Wesen verwandeln.“ Die Avatare der TeilnehmerInnen erhalten dafür bestimmte Superkräfte, zum Beispiel einen „Empathie-Blitz“ oder ein „Harmonie-Schild“ – und dazu passende Outfits wie Umhang und Helm. Malice feuert seine toxische Energie in unterschiedlichen Abfolgen auf die SpielerInnen – und diese können die Angriffe abwehren, indem sie im richtigen Moment ihre Superkräfte nutzen. „Die TeilnehmerInnen erhalten Abzeichen, die ihr Commitment für positives Verhalten im Gaming-Bereich symbolisieren“, sagt Tamm. „Damit setzen wir ein sichtbares Zeichen gegen Cybermobbing.“

Der gesunde Umgang mit Hate Speech und Mobbing ist eine wichtige Schlüsselkompetenz. Studien, die Unterstützung für krisenchat oder auch die Gesundheitspartnerschaft mit UOL sind nur einige Beispiele für das Engagement der TK in Sachen Medienkompetenz. Mit dem Stand bei der gamescom sollen GamerInnen spielerisch auf das Thema aufmerksam gemacht werden, um sich bewusst damit auseinanderzusetzen. „Wir wollen einen Ort schaffen, an dem man zusammen lernen kann, mit Hass umzugehen – sowohl präventiv als auch in akuten Fällen“, sagt Catharina Tamm. „Ein Bewusstsein für einen respektvollen Umgang im Netz zu schaffen, schützt auch die Gesundheit – eine klare Aufgabe für uns als Krankenkasse.“

IGM 11/23
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