Erst gehyped, dann gescheitert: Wenn große Spiele­projekte floppen

Milliardenschwere Lizenzen, große Entwicklerstudios und bekannte Namen – all diese Faktoren können vor der Veröffentlichung eines Spiels für viel Aufmerksamkeit sorgen. Allerdings garantieren diese Grundzutaten noch keinen kommerziellen Erfolg.
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Vorschusslorbeeren und hohe Erwartungen der Community sind etwas Tolles, bergen jedoch auch ein hohes Risiko, zu scheitern. Nur wenige andere Branchen bestrafen Fehler in der Produktion, im Marketing oder in der Konzeption so stark wie die Spieleindustrie. Ganz egal, wie einflussreich die Namen oder Lizenzen sind, überzogene Erwartungen enden oft in einem kostspieligen Totalschaden.

Der Doom-Macher und sein größter Flop
Im Jahr 2025 gibt es nur noch wenige Entwickler-Ikonen, deren Name allein ausreicht, um ein Projekt interessant zu machen. In den 1990er-Jahren waren die kreativen Köpfe dagegen oft Rockstars. John Romero war einer von ihnen. Er war Mitbegründer von id Software und somit einer der Urväter des Shooter-Genres. Entsprechend groß waren die Erwartungen der Gaming-Community, als Romeros neues Studio Ion Storm „Daikatana“ ankündigte. Das Spiel sollte ursprünglich im Dezember 1997 erscheinen. Doch technische Probleme infolge des Wechsels von der ersten zur zweiten Quake-Engine sowie Schwierigkeiten hinter den Kulissen verzögerten die Entwicklung. „Daikatana“ wurde gleich mehrfach verschoben.

Das wäre kein Problem gewesen, hätte Ion Storm und speziell John Romero „Daikatana” nicht selbst immer wieder in den Himmel gelobt. Von der Anzahl der Waffen im Vergleich zur Konkurrenz über die herausragende Präsentation bis hin zu provokanten Werbeanzeigen mit dem Slogan „John Romero‘s about to make you his bitch. Suck it down!“ – es entstand eine Anspruchshaltung, der „Daikatana“ nicht gerecht werden konnte.

Als das Spiel schließlich im Sommer 2000 veröffentlicht wurde, rissen sowohl die Fachpresse als auch Shooter-Fans es in Stücke. Zweifellos gab es Schwächen wie etwa das miserable Verhalten der KI-Begleiter, doch eine völlige spielerische Katastrophe war es nicht. Der enorme Wirbel im Vorfeld hatte die Erwartungen allerdings derart überhöht, dass „Daikatana“ teils sogar als eines der schlechtesten Videospiele der Geschichte bezeichnet wurde.

 

Der enorme Wirbel hatte die Erwartungen überhöht

 

Bekannter Name, anderes Spiel!
Eine der größten Herausforderungen im Gaming-Business besteht darin, der potenziellen Käuferschaft die Besonderheiten und die Ausrichtung eines Produkts klarzumachen. Was unterscheidet es von der Konkurrenz? Im Falle des im Jahr 2017 veröffentlichten Spiels „Prey“ scheiterten der Entwickler Arkane und der Publisher Bethesda an gleich mehreren Hürden. Da wäre zunächst der Titel: Bereits 2006 erschien ein Ego-Shooter mit demselben Namen, der damals von Human Head Games im Auftrag von 3D Realms entwickelt wurde. Der geplante zweite Teil wurde nie veröffentlicht, doch die Marke wanderte zu Bethesda.

Arkanes Spiel hatte jedoch kaum etwas mit dem früheren „Prey“ gemeinsam. Vielmehr erinnerte es in seiner Anlage eher an „System Shock“ oder „Bioshock“ und war insgesamt deutlich storylas­tiger und komplexer. Fans und Kritiker waren sich einig: Mit einem Metascore von 79 und einem User-Score von 8,0 erhielt der Titel durchweg posi­tive Bewertungen. Auch die deutsche GameStar lobte es mit 85 Punkten als „anspruchsvolles Actionspiel, das wegen der blassen Charaktere und Frustmomente aber nicht in höhere Wertungsre­gionen vordringen kann“.

Dennoch blieben die Verkäufe hinter den Erwartungen zurück. Es gelang Bethesda nicht, „Prey“ als eigenständiges Produkt zu positionieren. In den Trailern wurden die Stärken des Gameplays nicht ausreichend in den Mittelpunkt gerückt, während viele Fans des ursprünglichen Shooters noch immer auf den eingestampften Nachfolger hofften. Das fertige Spiel war jedoch zu weit davon entfernt. Hinzu kam, dass viele Redaktionen den Titel erst kurz vor oder sogar erst zum Release erhielten. Entsprechend spärlich fiel die Berichterstattung aus. „Prey“ blieb somit ein Kritikerliebling, der jedoch an weiten Teilen des Publikums vorbeiging.

 

Kritikerliebling, der an weiten Teilen des Publikums vorbeiging

 

Biowares Abstieg
Bei Bioware verhielt es sich lange Zeit genau umgekehrt. Das im kanadischen Edmonton ansässige Studio stand über Jahrzehnte hinweg für Qualität: Neben „Star Wars: Knights of the Old Republic“ glänzten in den 2000ern vor allem die RPG-Reihen „Mass Effect“ und „Dragon Age“. Personelle und strukturelle Veränderungen innerhalb des Unternehmens ließen jedoch den Nimbus der Rollenspielmeister bröckeln. Bereits während der Entwicklung von „Mass Effect: Andromeda“ kam es zu Unstimmigkeiten, die durch Personalwechsel und die Suche nach der konzeptionellen Ausrichtung verursacht wurden. Das im März 2017 erschienene Action-Rollenspiel konnte dem Ruf und der Klasse der Vorgänger nicht gerecht werden. Technische Unzulänglichkeiten zum Start sowie grundlegende Gameplay-Schwächen machten „Andromeda” zum schwächsten und vorläufig letzten Teil der Reihe.

Doch „Andromeda” war nur der Anfang der Bioware-Krise. Auch das 2019 veröffentlichte Online-Actionspiel „Anthem” enttäuschte. Nicht, weil es per se ein schlechter Titel war, sondern weil es an den Stärken des Studios vorbeientwickelt wurde und zugleich wenig mit den Vorlieben der Spielerschaft gemein hatte. Anstelle epischer Geschichten und Entscheidungsfreiheiten bot das Spiel eine eintönige Loot-Spirale, eine uninspirierte Kampagne und ein monoton wirkendes Mehrspieler-Konzept in einer zwar hübschen, aber leblosen Welt. Der Third-Person-Shooter fiel zum Start krachend durch. Der lange geplante Neustart mit „Anthem 2.0” fand nie statt. Ende Februar 2021 beendete Bioware das Experiment und zog endgültig den Stecker.

Große Lizenzen und falsche Konzepte
Auch große Film- und Comic-Vorlagen garantieren noch keinen Verkaufserfolg. Das von Crystal Dynamics entwickelte und von Square Enix veröffentlichte „Marvel’s Avengers“ hätte zu keinem besseren Zeitpunkt erscheinen können. Nur wenige Monate nach dem Blockbuster „Avengers: Endgame“ kam das Superheldenspektakel auf den Markt. Der Rummel um Captain America, Iron Man und Co. war damals sogar größer als im Jahr 2025.

Und auch wenn die virtuellen „Rächer” ihren Leinwandvorbildern nicht ähnlich sahen, war das grundsätzliche Interesse zunächst groß. So wurde die Beta zur am häufigsten heruntergeladenen Testversion auf der PlayStation. Über sechs Millionen Spieler verbrachten mit „Marvel’s Avengers“ mehr als 27 Millionen Stunden. Nach der Veröffentlichung Anfang September 2020 verkaufte sich der Titel bis November weltweit immerhin drei Millionen Mal. Doch der starke Start war nicht von Dauer. Insbesondere das Live-Service-Modell konnte nicht überzeugen. Bereits wenige Wochen nach Erscheinen waren kaum noch Spieler aktiv. „Marvel’s Avengers“ wurde – zusammen mit dem im Jahr 2021 veröffentlichten Spiel „Marvel’s Guardians of the Galaxy“ – zum Minusgeschäft. Der Online-Service für „Avengers“ wurde schließlich im Herbst 2023 eingestellt.

 

Der starke Start war nicht von Dauer

 

Ein ähnliches, wenn auch noch drastischeres Schicksal ereilte Warner Bros. mit „Suicide Squad: Kill the Justice League“. Das von Rocksteady Studios (bekannt durch die „Batman: Arkham“-Reihe) entwickelte Projekt sollte ebenfalls auf den Live-Service-Zug aufspringen, scheiterte jedoch auf ganzer Linie. Es war zu weit entfernt von den hohen, selbst gelegten Standards früherer Titel. Vor allem fehlten dem Konzept aber frische Ideen, die Spielerinnen und Spieler langfristig binden konnten. Der endlose Grind nach besserer Ausrüstung zündete trotz regelmäßiger Updates nicht. Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung wurde auch hier der Stecker gezogen.

Geschichte wiederholt sich
Letztendlich zeigt sich: Große Namen, etablierte Studios oder starke Lizenzen sind keine Garantie für Erfolg. Noch viel dramatischer erscheint das verspätete Adaptieren von Live-Service-Inhalten auf dafür nicht geeignete Konzepte und Marken. Entscheidend ist, ob ein Spiel seine Stärken klar vermittelt, realistische Erwartungen weckt und am Ende das einlöst, was es verspricht. Wer das verfehlt, riskiert nicht nur enttäuschte Fans, sondern auch schnell den eigenen Platz in der Gaming-Geschichte – als mahnendes Beispiel dafür, dass Hype allein kein gutes Spiel ersetzen kann. (ob/bpf)

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