„Wir wollen unsere Botschaft nachhaltig vermitteln“

Bruno Kollhorst, Leiter Werbung & HR-Marketing bei der Techniker Krankenkasse, über das E-Sport-Engagement der TK in Krisenzeiten, den Stellenwert von Publikum-Events und "Strukturen auf Augenhöhe".
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Bruno Kollhorst, Leiter Werbung & HR-Marketing bei der Techniker Krankenkasse

IGM: Bruno, unser letztes Interview haben wir im August 2019 geführt, also zu einer Zeit, als noch niemand etwas von einer bevorstehenden Pandemie ahnte. Welche Auswirkungen hat das Virus auf den Geschäftsbetrieb der Techniker Krankenkasse?

Bruno Kollhorst: Wie andere Unternehmen auch haben wir angesichts der veränderten Arbeitsbedingungen in den letzten Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um unsere Versicherten genau wie unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und so trotz der Umstände weiterhin in gewohnter Qualität für unsere Kunden da sein zu können.

Der On-The-Ground-Aktivierung kommt emotional nichts gleich

IGM: Das klingt auf der personellen Ebene nach Homeoffice ...

Bruno Kollhorst: Flexible Arbeitsplätze wurden, da wo möglich und sinnvoll, zum Einsatz gebracht. Ein Thema, das sicher auch in Zukunft noch für Veränderungen sorgen wird. Auch bei uns hat die Digitalisierung durch Corona zusätzlichen Anschub erhalten.

IGM: Man hört zuweilen, dass die Gamesbranche der "große Gewinner" der Krise sei. Wenn man von "Gewinner" in diesem Zusammenhang überhaupt sprechen kann: Gibt es derlei positive Aspekte auch für die TK, zumal der Gesundheitsaspekt beim Gaming bei euch ja im Fokus steht?

Bruno Kollhorst: Es gibt da zum Teil kontroverse Aussagen und Erkenntnisse. Klar ist: In der heimischen Isolation haben mehr Menschen Games für sich entdeckt, oder die Nutzung intensiviert. Das hat durchaus negative Aspekte, wie zum Beispiel die gestiegenen Bildschirmzeiten. Aber eben auch den, dass gerade Online-Games eine gute Möglichkeit bieten, trotz der Krise mit Freunden zu kommunizieren und gemeinsame Aktivitäten zu starten – nur eben digital.

IGM: Welche Lehren habt ihr bis dato aus der Krise gezogen?

Bruno Kollhorst: Hauptsächlich wurde uns klar, wie sehr das Thema E-Sport für Kooperationspartner wie wir es sind von Events abhängt. Trotz aller Virtualität. Trotz des rein digitalen Themas. Der On-The-Ground-Aktivierung auf einer gamescom oder ESL One kommt emotional nichts gleich. Gaming ist ja nicht nur auf das Medium beschränkt, sondern bringt eine eigene Subkultur mit, die höchst emotional funktioniert und von Involvement lebt. Außerdem macht der Wegfall der Events auch den persönliche Kontakt in unserer Rolle als Gesundheitspartner schwieriger und damit auch den Austausch über "gesundes Zocken".

IGM: Wie habt ihr als TK inhaltlich etwa auf den Wegfall einer "physischen" gamescom oder ESL reagiert?

Bruno Kollhorst: Wir haben unsere Maßnahmen auf digitale Umsetzungen umgestellt. Waren wir im Januar noch auf der Dreamhack unterwegs, konnten wir unser Konzept zur gamescom nicht umsetzen. Wir haben uns stattdessen digital auf die Wettbewerbe der ESL und der Uniliga und unsere Einbindung dort konzentriert. Im Herbst werden wir die Finals der Uniliga wieder Live erleben – unter strengen Auflagen und im kleinen Kreis. Man tastet sich heran, je nach Lage in Sachen Corona.

IGM: In Planung war ja auch ein eigenes Turnier der TK im Rahmen der ESL. Ist derlei tatsächlich rein digital denkbar? Man möchte ja in einen möglichst engen Kontakt mit der Zielgruppe treten, um Teil ihrer Lebenswelt zu werden. Oder ist ein enger Kontakt heutzutage allein mit einer hohen digitalen Präsenz zu verwirklichen?

Bruno Kollhorst: Natürlich ist das auch rein digital denkbar, aber wie schon gesagt: Die besondere Atmosphäre, das Involvement von Live-Events sind enorm wichtig und um als nicht endemischer Partner auch aufzufallen, unverzichtbar.

IGM: Wie ist die TK auf Kommunikationskanälen wie Facebook, Instagram, WhatsApp oder Snapchat aufgestellt?

Bruno Kollhorst: Unser Social Media Team bedient alle bedeutenden Plattformen wie Facebook, Instagram & Co. Snapchat wird bei uns zu HR-Marketing-Zwecken eingesetzt. Plattformen wie TikTok, die noch relativ wenig von Werbetreibenden genutzt werden, analysieren wir auf ihren Nutzen hin und testen sie gegebenenfalls.

IGM: Die TK sieht sich ja als Gesundheitspartner, der Gamern hinsichtlich Fitness, Ernährung und Gesundheit zur Seite steht. Wie hat man sich das in Krisenzeiten genau vorzustellen?

Bruno Kollhorst: Nun, gerade die Krisenzeit bringt ja die Themen Ernährung, Bildschirmzeiten und mangelnde Bewegung ins Spotlight. Wir wollen hier mit entsprechenden Inhalten unterstützen. Nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern auf Augenhöhe. Letztlich sind fitte und gesunde E-Sportler auch erfolgreiche E-Sportler – und da wollen wir helfen.

Man tastet sich heran, je nach Lage in Sachen Corona

IGM: Die TK ist wie du vorhin sagtest ein nicht endemischer Partner der ESL und Uniliga. Wie kam die Zusammenarbeit eigentlich zustande?

Bruno Kollhorst: Wir beschäftigen uns schon seit den späten Neunzigern mit dem Themenfeld Games. Angefangen bei der Nutzung von Gamification-Elementen in der Kommunikation, über die Prüfung, inwieweit Serious Games ein Thema für eine Krankenkasse sein können, bis hin zu Kooperationen mit EA Games und der Herausgabe eines eigenen Games (Das Sarah Wiener Kochspiel) haben wir das Umfeld gründlich für uns ausgelotet. Jetzt, wo Gaming ein Teil der Alltagskultur in Deutschland ist und die Diskussionen geführt werden, ob E-Sport ein Sport ist, war für uns klar, dass wir hier einen Ansatz haben. Wir haben uns dann mit den aus unserer Sicht passenden Partnern hingesetzt und erarbeitet, wie wir zusammenarbeiten wollen.

Das ist unser oft beschworener Technikergeist

 

IGM: Seit ihr auch auf Widerstände gestoßen, nach dem Motto: Die haben mit E-Sport ja gar nichts zu tun …?

Bruno Kollhorst: Widerstände gibt es beim Thema Gaming immer. Die Techniker ist allerdings neuen und innovativen Ansätzen gegenüber immer offen. Das ist unser oft beschworener Technikergeist, der uns immer weiter antreibt, neue Felder zu besetzen.

IGM: Gibt es bestimmte Voraussetzungen, die es zu erfüllen gilt, um etwa Partner der ESL zu werden?

Bruno Kollhorst: Ein Thema ist sicherlich Geschwindigkeit. Große Unternehmen müssen sich darauf einlassen können, schnell und flexibel zu agieren. Daneben muss man sich mit der Materie beschäftigen, um eine gute Verhandlungsbasis zu haben. Uns geht es zum Beispiel nicht einfach darum, Reichweiten zu kaufen und alles mit unserem Logo zuzupflastern. Wir wollen unsere Botschaft nachhaltig vermitteln und so zum endemischen Partner werden.

IGM: Laut Nielsen Sports waren weltweit 42 Prozent der E-Sport-Markensponsoren im zweiten Quartal 2017 nicht endemisch. Dieser Wert dürfte binnen dreier Jahre noch einmal deutlich gestiegen sein. "Stört" es euch als seit bereits 2008 im Gamesbereich engagiertem Unternehmen eigentlich, dass sich derart viele artfremde Marken im E-Sport-Umfeld tummeln?

Bruno Kollhorst: Natürlich hat es negative Effekte auf das eigene Engagement, wenn das Thema im Mainstream angelangt ist und jeder mitmischen will. Hier kommt es aus meiner Sicht auf die Partnerwahl und vor allem auf die Konzepte und die Formen der Zusammenarbeit an. In die Köpfe der E-Sportler und deren Fans und Zuschauern zu gelangen, wird dann anspruchsvoller, aber auch durch die notwendig höhere Qualität der Zusammenarbeit nachhaltiger.

IGM: Was kann das E-Sport-Ökosystem aus der Erfahrung und der Professionalität der teils sehr erfolgreichen Großunternehmen und Marken lernen?

Bruno Kollhorst: An erster Stelle: Nicht alles ist Lizenzgeschäft. Echte und umfangreiche Kooperationen gehen über die bestehenden Kooperationsleistungen der Partner hinaus. Zum einen ist da natürlich die Erfahrung und Gelassenheit, die große Unternehmen mitbringen. In der E-Sport-Szene können sie damit an den richtigen Stellen für eine gewisse Unaufgeregtheit sorgen. Zum anderen: Der Grad der Professionalisierung in der E-Sport-Szene hat zwar enorm zugenommen, ist aber längst nicht überall auf dem Stand der Sponsoren und Partner. Gerade im Partnermanagement ist ein gemeinsames Verständnis enorm wichtig und das braucht Strukturen auf Augenhöhe. Hier können die verschiedenen Player voneinander lernen.

IGM: Wenn du eure Partnerschaften im Bereich E-Sport mal Revue passieren lässt: Fühlt ihr euch auf- und angenommen im Gamingumfeld der Digital Natives?

Bruno Kollhorst: Absolut, das konnten wir auf den vergangenen Live-Events spüren. Wir waren kein Fremdkörper, sondern kamen gut an. Gefühlt sind wir ein fester Bestandteil im Kanon der Partner geworden, sowohl aus Gamer-Sicht als auch aus Sicht der Branche.

 

An den richtigen Stellen für eine gewisse Unaufgeregtheit sorgen

IGM: Kann man das auch ganz faktisch als Erfolg verbuchen? Gibt es da Kennzahlen, an denen ihr ablesen könnt, ob es sich um "lohnende" Partnerschaften handelt?

Bruno Kollhorst: Es gibt erste Messgrößen wie Sympathiewerte in der Kundengruppe, natürlich Reichweiten und Engagement. Auf Basis unserer Erfahrungen und Marktforschung werden wir aber ein KPI-System ableiten, dass über diese Werte hinausgehen wird.

IGM: Abschließend: Vieles hängt natürlich vom Verlauf der Pandemie ab, gibt es eurserseits dennoch davon losgelöst konkrete Pläne bezüglich eures künftigen E-Sport-Engagements?

Bruno Kollhorst: Wir bewerten aktuell die Form und die Wirkung unserer Engagements, um hier für die nächsten Schritte aufgestellt zu sein. Dieser Prozess wird Ende des Jahres abgeschlossen sein. (Marius Hopp)

IGM 12/20
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