Headup-CEO Dieter Schoeller: „Ein absolut stabil auf­gestelltes Unternehmen“

Headup zählt zu den traditionsreichsten Publishern Deutschlands: Bereits seit 2009 steht die Firma aus Düren/NRW für sorgfältig ausgewählte Indie-Games. Von 2021 bis 2024 war Headup Teil der schwedischen Thunderful Group, doch dann kaufte Gründer und CEO Dieter Schoeller sein Unternehmen zurück. Ein Interview über bevorstehende Releases, neue Geschäftsmodelle und den Status Quo der Branche.
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Headup-CEO Dieter Schoeller

IGM: Dieter, wie hat sich eure Zielgruppe in den letzten Jahren verändert?

Dieter Schoeller: Unsere Zielgruppe ist sehr breit gefächert. Das Portfolio reicht von Titeln wie Bridge Constructor, das casual und familienfreundlich ist, bis hin zu Hardcore-Zombie- und Horror-Spielen wie Soulslinger oder Dead Age. Wir waren immer der Überzeugung, dass es grundsätzlich keine schlechten Genres gibt. Wir sind auch kein Boutique-Publisher, der sich auf ein Thema spezialisiert. Stattdessen haben wir immer die Spiele und Genres ausgewählt, bei denen wir Potenzial sehen. Wir waren immer Premium, also Buy-and-Download. Das hat sich ein bisschen verschoben: Wir haben ein paar Gehversuche im Free-to-Play-Bereich und im Game-as-a-Service-Bereich gemacht, aber das ist mehr eine Modellverschiebung als eine Zielgruppenverschiebung.

IGM: Kürzlich habt ihr ein eigenes Studio gegründet, Goon Squad. Wo liegen da die inhaltlichen Schwerpunkte?

Schoeller: Wir haben für das Studio bestimmt, welche Spiele wir machen wollen – und für welche Plattformen, ebenso den gesamten Workflow, vom Fast-Fail-Prototyping hinüber in die finale Produktions-Phase. Inhaltliche Schwerpunkte sind – ganz klassisch – Singleplayer-Titel für den PC. Und zwar in Genres, von denen wir denken, dass sie nicht genügend abgedeckt sind. Es handelt sich um konzeptionell mutige Sachen. Das heißt: Wir schauen beispielsweise, ob etwas vielleicht seit C64-Zeiten nicht mehr gemacht worden ist, was mal wiederbelebt werden sollte. Was ein bisschen untergegangen ist, weil es nicht ganz den Markttrends entspricht, was aber eigentlich ein zeitloses Grunddesign hat.

IGM: Sprechen wir über euer aktuelles Portfolio. Was sind da die nächsten Highlights?

Schoeller: Wir haben ein sehr volles viertes Quartal. Auch deshalb, weil wir vorher etwas mehr Zeit gebraucht haben, um uns nach dem Divestment neu aufzustellen und zu organisieren. Wir haben mit Symphonia ein wirklich großartiges Produkt: Das ist ein wunderschöner, gewaltfreier Skill-Plattformer, der – mal abgesehen vom Kampfsystem – mit Titeln wie Hollow Knight und Ori konkurriert. Symphonia hat nicht ganz deren Production Value, aber es hat diese Verquickung mit klassischer Musik – und deshalb glauben wir, dass es sehr viel Aufmerksamkeit erzeugen könnte.

 

Konzeptionell mutige Sachen

 

IGM: Was sind die weiteren Titel?

Schoeller: Für Tinkertown kommen die überfälligen Konsolen-Ports. Erstmal für Switch und Xbox, und etwas später dann auch für die PlayStation. Eine so schöne, eigene IP zu haben, ist für uns extrem wichtig: Man muss keinen Umsatz teilen, außerdem ist das Spiel in unserem eigenen Design gewachsen. Dann haben wir mit The Coma 2B einen neuen Teil aus einer Serie, die bisher sehr gut gelaufen ist. Das Spiel hat eine ganz spezielle Zielgruppe im Anime-Horror-Bereich, und jeder bisherige Teil war sehr profitabel. Wir haben natürlich die Hoffnung, dass das auch mit dem neuen Teil so weitergeht. The Coma 2B ist vom koreanischen Studio Dvora, mit dem wir in Q4 auch noch ein weiteres Spiel herausbringen – das Card Game Vambrace: Dungeon Monarch. Es wird sehr spannend, wie dieses im Early Access laufen wird. Soulslinger für PC war ein Jahr im Early Access und geht im Dezember in den Full Launch. Außerdem haben wir im Q4 noch einen First-Party-Exclusive-Release, den wir jetzt noch nicht announcen können. Der ist für uns natürlich auch monetär sehr wichtig.

IGM: Du hast Free-to-play erwähnt. Wie sehen da eure „Gehversuche“ aus?

Schoeller: Im Sommer haben wir mit Screw Drivers unseren jüngsten Free-to-Play-Case an den Markt gebracht. Von dem Erfolg sind wir dann tatsächlich etwas überfahren worden. Das Spiel hat jetzt knapp eine halbe Million Aktivierungen! Das ist wahnsinnig interessant, weil Screw Drivers genau das hat, wo wir auch unsere Zukunft sehen: User-Generated Content, Sandbox, Multiplayer und Game-as-a-Service im positivsten Sinne. Screw Drivers ist ein Experiment: Ob das jetzt die richtige Monetarisierung dafür ist, werden wir erst noch sehen. Das Schöne ist aber, dass das Spiel 87 Prozent positive Reviews auf Steam hat. Bis jetzt wurden über 500.000 Lizenzen aktiviert, die Zahl der Unique Players liegt bei rund 315.000. Wir haben auch mehrere tausend Discord-Messages pro Woche. Da muss man sehr viel Arbeit investieren, aber es ist ein extrem positives Projekt. Schauen wir mal, wie es weiter läuft.

IGM: Bei Tinkertown und Screw Drivers setzt ihr auf User-Generated Content. Bei Industria 2, einem First-Person-Horror-Shooter, habt ihr einen ganz anderen Ansatz – einen Full Release am Day One. Wie schwer ist es, so etwas am Markt zu platzieren?

Schoeller: Der Entwickler Bleakmill hat glücklicherweise bereits eine unglaublich gute Arbeit beim Community-Aufbau geleistet. Man muss sich bei solchen Projekten auch immer fragen: Was ist das Ziel, was ist der Threshold? Es geht uns schließlich nicht darum, einen Millionen-Seller zu produzieren – sondern es geht darum, nachhaltig ROI-positive Titel zu entwickeln, die dann wiederum Nachfolgetitel finanzieren können. Wir streben nicht nach dem Big Dream, einen Nummer-Eins-Hit zu haben. Deswegen lässt sich das Ziel bei einem kleinen Projekt sehr viel leichter erreichen als bei einem Projekt mit einem Millionenbudget.

IGM: Was zeichnet die Industria-Reihe konkret aus?

Schoeller: Ich bin ein Riesenfan von Half-Life 2. Schon Industria 1 hat mich immens an Lost Coast erinnert, den Spin-off von Half-Life 2. Industria 1 ist ein narrativer, leicht futuristischer Shooter und spielt in einer Alternativ-Version Berlins. Es herrscht eine Atmosphäre der Bedrohung, man muss sich verstecken und Widerstand leisten. Intern bezeichnen wir Industria deshalb auch stets als „Half-Like“. Schon der erste Teil sah wunderschön aus. Das war kein Asset-Flip-Produkt, der Entwickler hat mehr als 6.000 Models selbst erstellt. Wenn man das sieht, weiß man: Die Leidenschaft des Entwicklers ist absolut vorhanden – das transportiert sich dann auch in die Marketing- und Kommunikationskampagne. Der erste Teil war profitabel, obwohl wir die Konsolenversion verspätet geshipped haben. Der zweite Teil ist weniger linear, hat einen größeren Umfang und bietet dezente Crafting-Elemente – insgesamt ist der Replay Value also höher. Die Zielgruppe ist etabliert, außerdem erscheint das Spiel parallel auf PC und Konsolen – deswegen glauben wir, dass der zweite Teil den ersten bei den Einnahmen noch übertreffen wird.

 

Was ist das Ziel, was ist der Threshold?

 

IGM: Eine der größten Herausforderungen für Indie-Games ist die Sichtbarkeit. Letztes Jahr sind allein auf Steam mehr als 14.000 Spiele erschienen. Wie schafft ihr es, die nötige Sichtbarkeit zu erzielen?

Schoeller: Wir haben eine Vollzeitstelle, die sich fokussiert mit Steam beschäftigt – und zwar in die Tiefe.  Als wir seinerzeit Bridge Con­structor Portal gesigned haben, was ja eine Valve-IP ist, konnten wir auch uns ein bisschen näher mit Valve vernetzen und etwas persönlichere Gespräche führen. Generell ist Steam mittlerweile sehr algorithmusbasiert – selbst bei Special Features wie dem Publisher Sale oder der Midweek Madness. Mittlerweile bekommt man auch da schon algorithmusbasierte Vorschläge, wann es denn gut passen würde und wann ein Slot frei ist. Aber natürlich haben wir immer noch einen persönlichen Draht zu Valve. Steam ist auf jeden Fall eine qualitativ hochwertige Storefront. Es ist essenziell, dort durch das Noise zu dringen. Und das muss dann von Social Media und Community-Management entsprechend unterstützt werden – wobei Community-Management nicht bei jedem Titel Sinn ergibt. Manche Titel sind visuell besonders stark, da gehen wir dann mehr ins Paid Advertising auf den Social-Media-Kanälen.

IGM: Was wäre denn deiner Meinung nach das Rezept für einen erfolgreichen Launch?

Schoeller: Es ist wirklich sehr titelabhängig, ein Patentrezept gibt es dafür nicht. Influencer haben mittlerweile einen großen Anteil an der Sichtbarkeit des Produkts, da sehen wir auch ganz klare Spikes. Aber das ist dann auch zeitlich sehr beschränkt. Es muss genau zum richtigen Moment kommen – und selbst dann wird der gewünschte Effekt nicht zwangsläufig eintreten. Die komplette Planbarkeit haben wir also auch nicht. Man versucht, an allen Fronten vernünftig zu arbeiten. PR selbst ist für die Conversion leider weniger relevant geworden. Das heißt, ein gutes Rating in der Presse ist mittlerweile weitaus weniger wichtig als ein gutes User Rating auf den Plattformen selbst. Die ersten 24 bis 48 Stunden sind absolut essenziell. Wenn da das Rating auf gelb oder rot geht, haut einen das aus den Algorithmen und damit auch aus der kommerziellen Performance raus.

IGM: Anderes Thema: Warum hast du entschieden, Headup von Thunderful zurückzukaufen?

Schoeller: Naja, es war eine Strategieentscheidung von Thunderful, Headup abzustoßen. Das hat Thunderful entsprechend öffentlich kommuniziert, weil es das als börsennotierter Konzern bekanntgeben muss. Bei einer solchen Entscheidung hat man natürlich verschiedene Möglichkeiten. Eine ist, dass man sagt: „Okay, dann macht halt, ich bin raus.“ Eine andere ist, dass sie die Firma eventuell abwickeln. Das hätte auch passieren können, auch dann wäre ich raus gewesen. Das wäre für mich finanziell nicht fatal gewesen – aber für das Traditionsunternehmen Headup und für unser Team sehr traurig. Wenn das Divestment-Szenario auf den Tisch kommt, ist natürlich auch eine Option, dass der ursprüngliche Gründer die Firma zurückkauft – das passiert ja nicht selten. Ich mag die Firma sehr, mir ist es damals aber nicht schwergefallen, sie zu verkaufen. Der Markt war heiß, der Preis war gut und auch die Vision, die damals kommuniziert wurde, war ansprechend. In den drei darauffolgenden Jahren ist viel passiert. Um ehrlich zu sein, wäre es für mich auch in Ordnung gewesen, die Firma nicht zurückzukaufen. Es war jetzt nicht so, dass mein Herz total dran hing und dass ich das unbedingt machen musste – ich hätte Alternativen gehabt oder etwas Neues gründen können. Jedoch habe ich auch ein Team von 25 Leuten, für die ich mich auch menschlich sehr verantwortlich fühle.

IGM: Wie ging es dann weiter?

Schoeller: Wir haben uns zusammengesetzt und ich habe gesagt: „Okay, ich kann versuchen, Headup zurückzukaufen. Das bedeutet aber, dass wir die nächsten zwei Jahren wahrscheinlich viel Druck haben werden, da wir das Unternehmen wieder aufbauen müssen.“ Im Prinzip ist es ja so: Wir haben alles wieder zurück übernommen, was wir in den Jahren vor Thunderful veröffentlicht hatten, denn der komplette Katalog ist an uns zurückgegangen. Im Publishing basieren deine Revenues aber normalerweise auf einem guten Mix aus Neu-Releases und Back-Katalog.

 

Generell ist Steam mittlerweile sehr algorithmusbasiert

 

IGM: Die neuen Titel waren aber alle weg ...

Schoeller: Genau. Alles, was wir in den letzten drei Jahren gemacht hatten, lief ja – bis auf kleinere Ausnahmen – unter der Thunderful-Flagge. Das waren Viewfinder, Laika, Lego Bricktales, Aska und Planet of Lana – fünf wunderschöne und große Titel. In diese haben die Leute, die jetzt bei Headup sind,sehr viel Arbeit reingesteckt – aber letztendlich nehmen wir jetzt nicht die Revenues mit. Wir sind primär mit unserem Back-Katalog an den Markt gegangen. Die Titel sind älter und nicht mehr ganz so werthaltig, die Base-Revenue-Linie ist also niedriger. Und dann nimmst du halt 26 Leute mit, da steht eine Burn Rate hinter, und du musst erst mal wieder eine Anschubzeit finanzieren. Es ist nicht ganz leicht, aber wir sind guter Dinge, dass wir innerhalb von ein bis zwei Jahren wieder das alte Profitabilitätslevel erreichen können. Ich glaube einfach, dass die Jahre 24 und 25 ein bisschen herausfordernder für uns sind.

IGM: Das bedeutet: Durchstarten und schnell wieder in die Gänge kommen ...

Schoeller: Genau. Da ich aber keine Investoren hinter mir habe, sondern das Ganze privat finanziere, geht natürlich ein guter Teil des damaligen Verkaufspreises wieder zurück in den Aufbau der Firma. Eigentlich war das Geld hinter meiner privaten Firewall, wo ich gesagt habe: Da gehe ich nicht dran. Im Interesse von Headup habe ich mich dann aber doch entschlossen, das zu tun, wenn auch moderat. Man muss ja auch dazusagen: Headup hat einen Wert. Es ist ein absolut stabil aufgestelltes Unternehmen. Es ist nicht so, dass ich jetzt Bargeld gegen totale Unsicherheit eintausche – ich kenne den Wert von dem, was wir hier machen. Natürlich ist es eine spannende Sache, jetzt wieder ein eigenes Studio zu gründen. Außerdem haben wir mit unserer Holding Anteile an GameFairy. Diese Firma hat sich auf limitierte Sammler-Editionen von Indie-Games spezialisiert, das ist ein ganz interessantes Modell mit verschiedenen Revenue-Säulen. Generell macht es unglaublich Spaß, jetzt wieder unabhängig zu sein und wirklich sehr produktorientiert und cashflow-orientiert zu arbeiten. Das haben wir ja vorher auch schon 13 Jahre gemacht, insofern ist es nichts Neues. Es ist angenehm, auch wenn die Zeiten in der Games-Branche gerade etwas härter sind.

IGM: In einem anderen Interview hast du gesagt, die deutsche Games-Branche könne von der internationalen Konkurrenz noch viel lernen. Was zum Beispiel?

Schoeller: Das ist mein subjektives Empfinden. Wenn ich mit deutschen Entwicklern rede – und ich rede mit vielen Entwicklern –, habe ich oft das Gefühl, dass sie sich für das Entwickeln von Spielen fast schon entschuldigen. Nach dem Motto: „Hey, wir haben ein neues tolles Feature oder eine technische Innovation – und die haben wir in ein Spiel gebaut.“ Mit breiter Brust zu sagen, „wir unterhalten, wir konkurrieren mit anderen Entertainment-Formaten“ – das vermisse ich in Deutschland ein bisschen. Ich sage nicht, dass ich dafür die super Lösung habe und alles ganz anders gemacht werden muss. Im Gegenteil: Es gibt hier tolle Studios! Mir fehlt nur ein wenig die Professionalität und auch der Anspruch, dass wir Teil einer Entertainment-Branche sind und dass wir vor allem Emotionen verkaufen müssen. Das sieht man an vielen Ecken, wenn man sich Trailer oder Pitches anschaut. Das ist zwar nicht nur ein deutsches Problem, aber gerade die Deutschen sind eher ingenieursaffin als Entertainment-affin. Auch in der Musik gibt es für jedes großformatige, auf Entertainment getrimmte US-Produkt ein graues deutsches Schattenprodukt, bei dem du merkst, dass dahinter einfach nicht ein vergleichbarer selbstbewusster und analytischer Ansatz steht wie bei der internationalen Konkurrenz.

IGM: Das wirkt bisweilen etwas verschämt.

Schoeller: Genau, Ja, es wirkt ein bisschen verschämt. Stattdessen bräuchten wir das Selbstbewusstsein, zu sagen: „Wir sind eine Entertainment-Branche, die die Menschen auf internationalem Niveau unterhalten kann.“ Das merkst du auch in den Talks bei den Entwicklerkonferenzen – die Deutschen reden halt gerne über Technik. Ich sage nicht, dass das grundsätzlich falsch ist. Es ist ja auch eine Stärke, wenn international relevante Technologien wie die CryEngine aus Deutschland kommen. Aber die emotional packende Seite der Medaille ist meiner Meinung nach lokal unterrepräsentiert.

 

Du musst erst mal wieder eine Anschubzeit finanzieren

 

IGM: Anderes Thema: Wie wichtig ist für euch eigentlich noch der stationäre Handel?

Schoeller: Der ist für uns leider momentan nicht von Bedeutung. PC-Spiele werden digital gekauft, Konsolenspiele sind teuer in der Herstellung – und Indie-Titel haben vergleichsweise kleine Stückzahlen. Wir erörtern die Möglichkeit, das Thema international ein bisschen zu kompensieren. Aber das stationäre Geschäft ist wahnsinnig kleinteilig, bei relativ geringer Marge, weil Vertrieb und Handel ihre Anteile erhalten. Da sind wir mit jeder digitalen Kopie besser dran.

IGM: Bei den Limited Editions von GameFairy sieht das anders aus ...

Schoeller: Das stimmt. Wir arbeiten ja auch nicht nur mit GameFairy zusammen, wir haben ebenso Deals mit Limited Run und Super Rare Games. Dieses höherpreisige Indie-Modell – mit coolem, physischem Content für Sammler – befindet sich immer noch im Wachstum. Und das ist ein Markt, den ich schon immer super interessant fand. Wir haben seit jeher wertige Editionen produziert – aber eben nicht Standardboxen, sondern welche mit wirklich schönem Content.

IGM: Wie sieht da der Business-Plan aus?

Schoeller: Du brauchst keine Mondzahlen, um eine Firma wie GameFairy profitabel zu halten. Bei fünf Releases im Jahr rechnet sich das auf einen Mitarbeiter, da brauchst du kein Riesenteam. Und es ist ein ansprechender Fan-Service mit Added Value für deine Digitallizenz und neue Auswertungsmöglichkeiten. Das heißt, klassischer Brick-and-Mortar-Retail ist für uns momentan nicht mehr relevant. Vielleicht ändern wir das wieder, wenn wir den richtigen Titel dafür haben. Auf der anderen Seite ist der Special-Interest-Retail äußerst  interessant. Und der ist auch kein unwesentlicher Teil unseres Revenue Mix. Ein Indie-Studio muss sich ja immer fragen, wofür es einen Publisher braucht. Special-Interest-Retail ist zum Beispiel ein Bereich, wo ein Publisher viel kleinteilige, komplexe und zeitaufwendige Arbeit leisten kann, die ein Entwickler so noch nie gemacht hat.

IGM: Wie du sagst, befindet sich die Games-Branche derzeit in der Krise. Wie, glaubst du, geht das in den nächsten Jahren weiter?

Schoeller: Ich glaube nicht, dass sich der Markt auf absehbare Zeit erholen wird. Ja, wir haben Dinge wie Inflation, ein bisschen was verschiebt sich da immer. Aber ich glaube nicht, dass es eine Marktbereinigung geben wird; viele Studios bauen Personal ab, aber es drängen auch immer mehr neue Talente in den Markt. Zudem werden die Entlassungen bei den großen Studios zu neuen, qualitativ hochwertigen Indie-Studio-Gründungen führen.

IGM: Der bekannte Trickle-down-Effekt ...

Schoeller: Genau. Vielleicht gehen manche Leute raus, weil der Markt hart ist, auf der anderen Seite kommen ganz hochtalentierte Leute rein. Insofern kann ich jetzt keine Aussage darüber treffen, ob der Markt größer oder kleiner wird. Die Business-Modelle sind nun mal, wie sie sind. Wir versuchen, den Schwierigkeiten am Markt durch experimentelle, disruptive Ansätze zu begegnen. Zum Beispiel bei der Preispolitik: Bei einem Produkt, für das wir früher 15 bis 20 Euro verlangt hätten, probieren wir es jetzt vielleicht mit 5 bis 8 Euro. Und hoffen, dass wir dadurch das Noise durchdringen und die Masse erreichen. Denn die Masse an Spielern ist ja da! Es gibt für jeden Indie-Titel potenziell ein Publikum, das groß genug ist – man muss es nur irgendwie erreichen. Wir werden da ein bisschen experimentieren und uns dabei auch mal eine blutige Nase holen – sie darf nur nicht so blutig sein, dass wir nicht mehr weitermachen können. Es gibt genügend Spieler da draußen – wir konkurrieren nicht um das Geld, sondern um die Zeit der Leute. Die Frage ist, wie wir sie dazu bekommen, ihre Zeit unseren Spielen zu widmen. Das kann über ein bestimmtes Geschäftsmodell funktionieren – oder über ein bestimmtes Genre oder eine Plattform. Es gibt viele Möglichkeiten, die man ausprobieren kann – ich hoffe, wir finde eine, die so gut trägt, dass sie auch die Failed Experiments mittragen kann. Aber das kann ich dir – leider – auch erst mittel- bis langfristig sagen. (Achim Fehrenbach)

IGM 12/24
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