Zeitreise in die wunderbare Welt der Nostalgie: Eröffnung des Nintendo Museum Kyoto

Am 2. Juni 2021 kündigte Nintendo an, ein altes Industriegebäude in Kyoto in ein Museum zur Firmengeschichte umzubauen. Drei Jahre und vier Monate später sind die Bauarbeiten abgeschlossen. Doch lohnt sich ein Besuch?
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Kaguraden-56 Oguracho, Uji – wer in Kyoto das Nintendo Museum sucht, sollte diese Adresse in sein Navi eingeben. Im Süden der drittgrößten Stadt Japans gelegen, ist es sowohl mit dem Auto als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen und bietet spezielle Parkplätze für Reisebusse, die seit der Eröffnung am 2. Oktober 2024 in Scharen anreisen. Schon beim Betreten des Geländes geht den Fans das Herz auf. Kein Wunder, denn der zentrale Platz ist gespickt mit interessanten Fotomotiven und liebevollen Details, darunter drei grüne Röhren aus „Super Mario Bros.“, über denen ein Fragezeichen-Block und vier reguläre Blöcke thronen. Einer davon sieht aus, als wäre Klempner Mario gerade von unten dagegen gesprungen und hätte einen weiß-grünen Power-up-Pilz zum Vorschein gebracht. Wer das Außengelände weiter erkundet, entdeckt auf einem Hügel auch eine grüne Warp-Röhre, die so gestaltet ist, dass man ein Stück hinein (oder heraus) springen kann – genau wie Mario in seinen unzähligen Abenteuern.

Im Inneren des Hauptgebäudes angekommen, fährt man nach dem Kauf einer Eintrittskarte zunächst mit einer Rolltreppe in das obere der beiden Stockwerke. Hier steht die Hard- und Softwaregeschichte des Unternehmens im Mittelpunkt. Das heißt: Hinter meterlangen, hell erleuchteten Vitrinen kann der Besucher all jene Konsolen, Handhelds, Controller, Zubehörartikel und Spiele im Original begutachten, die Nintendo in den vergangenen vier Jahrzehnten zu einem der Big Player der Spielebranche gemacht haben. Die Vielfalt der Exponate ist wirklich erstaunlich und umfasst natürlich auch unzählige Sondereditionen und viele nie im Westen veröffentlichte Geräte.

 

Schon beim Betreten des Geländes geht den Fans das Herz auf

 

Flankiert wird das allgegenwärtige Nostalgiegefühl durch Bildschirme, auf denen sorgfältig ausgewählte Gameplays die Entwicklung wichtiger Spieleserien in Bewegung veranschaulichen. Im Falle der Mario-Reihe laufen beispielsweise „Super Mario Bros.“ sowie „Super Mario Bros. 3“ für das NES, „Super Mario World“ für das Super Nintendo, „Super Mario 64“ für das Nintendo 64, „Super Mario Sunshine“ für den GameCube, „Super Mario Galaxy“ für die Wii, „Super Mario 3D World“ für die Wii U und „Super Mario Odyssey“ für die Switch parallel auf eigenen Displays. Dazu kommen meist brandneue Verpackungen und Handbücher vieler Klassiker – meist in den Versionen für Japan, Nordamerika und Europa. Ein Anblick, der langjährige Sammler und Nintendo-Enthusiasten garantiert ins Schwärmen bringt! Gleiches gilt für eine Vitrine, die die Entwicklung und Geschichte der Fragezeichenblöcke skizziert, die in praktisch jedem Mario-Spiel vorkommen.

Doch damit nicht genug. An der Decke prangen riesige Nachbildungen legendärer Hardware-Produkte wie der N64-Controller – das weltweit erste Gamepad mit präzisem Analogstick und Vibrationsmotor-Unterstützung. Aber auch die Wii Remote, mit der Nintendo im November 2006 die Ära des Motion-Gamings einläutete, oder der über 154 Millionen Mal verkaufte Handheld-Dauerbrenner Nintendo DS dürfen als XXL-Varianten nicht fehlen.

 

Ein Anblick, der langjährige Sammler garantiert ins Schwärmen bringt!

 

Nintendos Gadget- und Spielzeug-Ära
Wer jedoch die Geschichte des Unternehmens chronologisch erleben möchte, sollte mit den Außenbereichen im Obergeschoss beginnen, die vor allem der Vor-Famicom-Ära des Unternehmens gewidmet sind. Vom Copilas (einem Kopiergerät aus den frühen 1970ern, das aufgrund seines moderaten Preises von der japanischen Regierung für alle Schulen angeschafft wurde) über Brett- und Kartenspiele bis hin zu einem kompakten Kinderwagen namens Mamaberica ist hier alles zu sehen, womit sich das erfindungsreiche Unternehmen zwischen seiner Gründung im Jahr 1889 und dem Erscheinen seiner allerersten Videospielkonsole, dem Color TV-Game 6 im Jahr 1977, einen Namen gemacht hat.

Die Reise geht weiter in die untere Etage, wo verschiedene interaktive Erlebnisse im Mittelpunkt stehen. Allen voran ein beeindruckendes, begehbares Display von der Größe eines halben Basketballfeldes. Mit einem vom Museum zur Verfügung gestellten Smartphone kann hier das traditionelle japanische Kartenspiel Hyakunin Isshu gespielt werden. Die Idee: Auf dem Mobilgerät ist eine Karte zu sehen, die man so schnell wie möglich mit der identischen Karte auf dem Display am Boden über die Smartphone-Kamera abgleichen muss. Umgeben ist diese Ausstellungsfläche von einer riesigen Auswahl an Hanafuda-Karten – bis in die 1960er-Jahre die Haupteinnahmequelle von Nintendo.

Kultige Mitmach-Aktivitäten
Noch spannender für Gamer sind allerdings die sieben weiteren Aktivitäten in den Zonen rund um den Zentralbereich, allen voran das „Zapperscope SP“. Dabei handelt es sich um eine riesige Spezialleinwand, auf der bis zu 13 Teilnehmer mit Nachbauten der NES-Lichtpistole Zapper und der SNES-Lightgun-Bazooka Super Scope 6 auf Geister, Gumbas, Koopas und andere bekannte Nintendo-Gegner schießen, um neue Highscores zu knacken. Mindestens genauso viel Adrenalin wird bei den Aktivitäten „Ultrahand SP“ und „Ultra Machine SP“ freigesetzt. Während es bei Ersterem darum geht, mit einem Nachbau des Spielzeug-Greifarms Ultrahand langsam vorbeifliegende Pokébälle zu fangen, müssen die Gäste bei Letzterem in reizvollen Nachbauten japanischer Wohn- und Kinderzimmer mit einem Plastik-Baseballschläger herannahende Bälle treffen. Abgefeuert werden sie von der namensgebenden Ultra Machine. Zur besseren Einordnung: Beide Geräte wurden Mitte der 90er-Jahre von Nintendo-Kreativkopf Gunpei Yokoi entworfen und jeweils über eine Million Mal verkauft.

Ebenfalls von Yokoi stammt der Love-Tester, dem das Museum eine weitere Station widmet. Wie damals nehmen hier zwei Personen je eine mit dem Love-Tester verbundene Metallkugel in die Hand und absolvieren gemeinsam ein bewegungsintensives Minispiel, woraufhin sie kurz darauf ihren Love Score angezeigt bekommen. Wer mit einer Freundin oder einem Freund im Museum unterwegs ist, sollte auch der „Big Controller“-Zone einen Besuch abstatten. Hier gilt es, mit den bereits erwähnten Mega-Gamepads zahlreiche Evergreens auch tatsächlich zu spielen. Bei „Super Mario Bros.“ beispielsweise bedient Person A das überdimensionale Steuerkreuz des Famicom-Controllers, während Person B für das Drücken der beiden Aktionstasten zuständig ist. An anderen Stationen bändigen zwei Personen gemeinsam eine kiloschwere Wii-Fernbedienung oder balancieren gemeinsam auf einem XXL-Balance-Board. Ein Riesenspaß – aber ohne Teamwork kaum zu schaffen!

 

Ein Riesenspaß – aber ohne Teamwork kaum zu schaffen!

 

Bleibt noch der Bereich Nintendo Classics. Hier sind – thematisch nach Konsolengenerationen geordnet – mehrere Dutzend Flachbildschirme aufgebaut, an denen man diverse Klassiker ausprobieren kann. Typisch japanisch mit einem Timer im Nacken, damit auch möglichst viele Besucher die Chance haben, einmal zu spielen.

Der Haken mit den Münzen
Einziger Wermutstropfen: So schön all diese Aktivitäten auch sind, sie können nur im Tausch gegen eine oder mehrere digitale Münzen gestartet werden. Zehn davon sind auf dem NFC-Chip der Eintrittskarte gespeichert. Es ist nicht möglich, weitere zu kaufen oder durch Erfolge im Spiel zu sammeln. Schade, denn um alle Aktivitäten mindestens einmal auszuprobieren, braucht man deutlich mehr als zehn Münzen. Wer also alles erleben will, muss entweder das Museum noch einmal besuchen oder die nicht verbrauchten Münzen seiner Begleitperson(en) dafür einsetzen. Gerade dieser Aspekt hinterließ bei den Fans, die das Museum bereits besuchen konnten, einen etwas faden Beigeschmack. Vor allem, wenn sie extra aus dem Ausland oder anderen japanischen Städten angereist waren und nicht die Möglichkeit hatten, einfach ein paar Tage oder Wochen später noch einmal vorbeizuschauen. Ob Nintendo hier noch nachbessert, bleibt abzuwarten, wäre aber wünschenswert. Erwähnenswert ist noch, dass der Ticketkauf einen kostenlosen Nintendo-Account voraussetzt, nur per Kreditkarte möglich ist und derzeit per Zufallsprinzip entschieden wird, ob man überhaupt ein Ticket kaufen kann oder nicht. Es ist also nicht ratsam, einfach so anzureisen und zu hoffen, dass man in letzter Minute noch eine Eintrittskarte bekommt.

Doch zurück zum Museum. Dessen unterer Bereich wird ergänzt durch zahlreiche Vitrinen mit weiteren Themenschwerpunkten und einen museumseigenen Shop. Dieser trägt den passenden Namen „Bonus Stage“ und hat in der Community schon jetzt Kultstatus. Zu Recht, denn die Vielfalt der hier gelagerten Souvenirs ist weltweit einzigartig – und beinhaltet auch diverse Museumsexklusivitäten. Ob kultige schwarz-rote T-Shirts oder Tassen der gefloppten Stereoskopie-Konsole Virtual Boy von 1995, kuschelig weiche Famicom- oder SNES-Controller in Kissenform oder ein riesiges Sammelsurium an Pins und Schlüsselanhängern – nie war es verlockender, ein Stück Nintendo-Nostalgie mit nach Hause zu nehmen.

Erst essen, dann basteln und lernen
Das Museumserlebnis ist aber noch nicht zu Ende, sondern kann auf Wunsch im Nebengebäude fortgesetzt werden. Zum einen mit einem Besuch im Museumscafé „Hatena Burger“, das mit 270.000 Burgerkombinationen wirbt. Die Zusammenstellung erfolgt per App vor Ort. Zum anderen mit zwei kostenpflichtigen Hanafuda-Workshops. Im ersten bemalen die Besucherinnen und Besucher die historischen Spielkarten selbst, im zweiten wird das Kartenspiel mit Hilfe eines Mitarbeiters und einer speziellen Video- und Kamerainstallation vermittelt.

Entstanden ist ein Museum für die ganze Familie, das in dieser Form weltweit einzigartig ist – und aufgrund der überaus positiven Resonanz hoffentlich bald Nachahmer finden wird. Dabei denken wir natürlich besonders an die Konkurrenten Sony und Microsoft, die ihre Gaming-Geschichte in dieser Form noch nie präsentiert haben. Wer dagegen außerhalb Japans vergleichbare Erlebnisse sucht, dem seien das Computerspielmuseum in Berlin, das National Videogame Museum im britischen Sheffield, die Power-Up-Ausstellung im Londoner Science Museum, das NVM (National Video Game Museum) im texanischen Frisco sowie die immerhin fast 1000 Quadratmeter große Ausstellung „Play Beyond Play“ im Tekniska Museet in Stockholm empfohlen. (soe/bpf)

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