Verzweifelt gesucht: Speicherplatz

Die neue Konsolen-Generation beseitigt endlich ein seit heiligen Zocker-Zeiten gefürchtetes Phänomen: die lange Ladepause. Dafür ist ein anderes, längst totgeglaubtes Problem zurück: knapper Speicherplatz. IGM-Autor Robert Bannert über Sinn und Unsinn von SSDs.
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© .shock/stock.adobe.com,
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Da ist es ja endlich: Meine neues Spielzeug. Nach locker 35 Jahren Gaming-Fandom ist der Übergang von einer Geräte-Generation zur nächsten noch immer etwas Besonderes für mich. Zugegeben: In diesem Jahr war die Aufregung nicht ganz so groß. Denn der Release von neuer PlayStation und Xbox wurde von Corona-Pandemie sowie US-Wahltheater überschattet. Und dem schlichten Umstand, dass sich die neuen Schmuckstücke wegen des geringen zeitlichen Abstands zu PS4 Pro bzw. Xbox One X selber ein bisschen nach Update anfühlen. Die Series X vielleicht sogar ein bisschen mehr als die PS5. Weil Microsoft gleich komplett darauf verzichtet hat, seinem System ein neues User-Erlebnis zu injizieren: Während die PS5 mit neuem Interface und cleverem Controller-Update kommt, ist Microsofts neuer Daddel-Kasten ein clever konstruiertes Performance-Monster, dem es allerdings noch ein wenig am nötigen Charme mangelt.

Platzprobleme vorprogrammiert
Aber wie zum Start fast jeder neuen Hardware-Generation teilen beide Geräte das gleiche Problem: zu wenig Speicherplatz. Subtrahiert man das fette Betriebssystem, das es sich auf beiden Konsolen gemütlich macht, bleiben für die Installation von Spielen nur knapp über 800 GB übrig. 800 dank SSD-Standard verdammt schnelle, aber eben auch ziemlich knappe GB. Dabei sieht es auf meiner PS5-SSD noch vergleichsweise aufgeräumt aus: Hier machen sich aktuell die mit Next-Gen-Updates bedachte Version von "Ghost of Tsushima" (52 GB), das große PS5-Abenteuer von "Sackboy" (30 GB), das Remake von "Demon's Souls" (53 GB), die herzige DualSense-Demo "Astro's Playroom" (11 GB), "Spider-Man: Miles Morales" (40,5 GB), "Assassin's Creed: Valhalla" (35,5 GB), "Immortals: Fenyx Rising" (21,3 GB) und die PS5-Edition von "Marvel's Spider-Man" breit. Letztere ist – obwohl ursprünglich eine PS4-Entwicklung – mit 55 GB derzeit das größte Spiel auf der SSD meiner neuen Sony-Konsole. Anzahl der installierten Titel: acht. Verbliebener Speicherplatz: knapp 253 GB.

800 verdammt schnelle, aber eben auch ziemlich knappe GB

Und bei meiner Series X? Hier habe ich bereits einige Titel mehr installiert – schließlich war der Microsoft-Kamerad etwas früher an der Next-Gen-Front. Echte Exklusivspiele bietet Big M derzeit leider keine an – dafür aber mit üppigen Grafik-Updates versorgte Versionen der meisten Xbox-One-Exclusives. Darunter z.B. "Gears 5" (80 GB) und "Forza Horizon 4" (97 GB), die beide zu meinen Last-Gen-Lieblingen für das System zählen und die ich deshalb am ersten Tag von den Microsoft-Servern gesaugt habe. Die haben dank "Smart Delivery"-Feature direkt erkannt, dass ich keine Xbox-One-, Xbox-One-X- oder Series-S-, sondern die maximal fetten Series-X-Versionen der jeweiligen Software benötige. Ebenfalls im SSD-Club der neuen Xbox-Generation: "Assassin's Creed: Valhalla" (mit 47 GB über zehn GB größer als auf der PS5), "Watch Dogs: Legion" (knapp 43 GB), "Dirt 5" (72,5 GB), das mit nur knapp über 28 GB überraschend bescheidene "Gears Tactics" und das mit kolossalen 133 GB dickste Spiel auf der Series-X-Platte – "Call of Duty: Black Ops – Cold War".

Dann noch ein paar Indie-Spiele, die insgesamt nur etwa acht GB belegen: das Series-X-optimierte "Ori and the Will of the Wisps", "Falconer" und "Touryst". Zu guter Letzt lungern noch zwei Xbox-360-Spiele auf der Konsole, die ich zum Testen der Abwärtskompatibilität installiert habe – und zwar "Witcher 2" mit traumhaft genügsamen 8,5 und "Perfect Dark Zero" mit knapp über sechs GB. Macht summa summarum zwölf Spiele, die insgesamt 66 Prozent der Series-X-SSD belegen – bleiben noch 270 frei. Anders ausgedrückt: zweimal "Black Ops: Cold War" oder rund 30 mal "Witcher 2". Und weil es bereits auf der auslaufenden Konsolen-Generation verdammt dicke Dinger gab (wie "The Last of Us: Part 2" mit hundert oder "Modern Warfare" mit 200 GB), will ich mir gar nicht erst ausmalen, wie es aussieht, wenn Epic seine nächste "Unreal Engine" aus dem Hut zaubert: Schon jetzt schlagen viele Entwickler Alarm, weil das als revolutionär gefeierte Tool für rekordverdächtige File-Größen sorgen soll. Blockbuster von hundert, 200 oder mehr GB könnten dann Standard werden. Vergleichsweise Speicher-schonend gibt sich übrigens Microsofts "kleine" Next-Gen-Xbox – die Series S. Zumindest in der Theorie: Weil die per Smart Delivery auf 2K (statt 4K) zurechtgestutzten Spiele nämlich mit nur 500 GB SSD-Platz auskommen müssen, relativiert sich dieser (vermeintliche) Vorteil schnell.

Der Platz für Blockbuster ist auf einer SSD stark begrenzt

Es wird schlimmer, bevor es besser wird
Will heißen: Der Platz für Blockbuster auf der SSD einer Next-Gen-Konsole ist stark begrenzt. "Hey, das ist doch mehr als genug!", sagen mir viele Kollegen, die meine Speicher-Klaustrophobie beschmunzeln. "Und wenn das Ding voll ist, dann haust du den anderen Kram eben wieder runter! Du wirst ja wohl nicht mehr als zwei oder drei Spiele gleichzeitig zocken, oder?" Doch, genau das tue ich. Naja, mehr oder weniger.

Klar, nicht jeder Konsolero ist ein Games-Journalist, bei dem sich innerhalb kürzester Zeit dutzende, wenn nicht gar hunderte Spiele in der Library tummeln – vom dicken AAA-Klotz bis zum nur wenige GB belegenden Indie-Game. Trotzdem: Unabhängig davon, wie groß – aus welchem Grund auch immer – meine Games-Kollektion sein mag, will ich doch auf so viele Titel wie möglich davon zugreifen können. Und zwar jederzeit!

Zugegeben: Dank einer vergleichsweise luxuriösen 250er-Internet-Leitung kann ich die meisten Spiele relativ fix laden. Aber als Besitzer dieser Software poche ich auf das Recht, immer darauf zugreifen zu können. Und dafür brauche ich aktuell sogar im Fall einer gut sortierten Disc-Sammlung (Stichwort "Updates") eine stabile, flotte Online-Anbindung. Also eine von der Sorte, die nicht zwischen 22:00 Uhr abends und 1:00 Uhr morgens Netflix-Serien mit der Qualität eines alten MPEG-Videos streamt. Corona hin oder her. Auch im Falle einer Netz-Pleite will ich das Recht haben, nach Belieben zwischen "Watch Dogs: Legion", "Assassin's Creed: Valhalla" und "Call of Duty" hin und her tänzeln zu dürfen, während ich den faulen Samstag später mit einer Partie "Forza Horizon 4" abrunde. Noch Fragen?
Und ja, das ist vielleicht ein beknacktes Nutzerverhalten. Aber wer sagt denn, dass ich mich als Besitzer all dieser feinen Spiele nicht ein bisschen bescheuert verhalten darf? Und wenn mir dabei schlecht wird, dann ist das meine Freiheit als Kunde. Denn: Freiheit heißt für mich auch, nicht alles im Voraus planen zu müssen. So lange mir rein digitale Medien diese Freiheit nicht bieten, sind sie der Sorte Datenstrang, der auf einem physischen Medium kommt, noch immer unterlegen. Und so lange Spielehersteller das nicht verstehen, bleibt die schöne digitale Zukunft auch weiterhin verschwommen. Online-Stores, Abonnements und Streaming-Angebote können das Althergebrachte nur ersetzen, wenn sie genauso zuverlässig sind.

Anbauen schwer gemacht
Aber: Wenn Speicher schon während der gerade auslaufenden Hardware-Generation ein Problem war, dann ist er das jetzt erst recht. Meine erste PS4 habe ich nur wenige Wochen nach dem Kauf aufgeschraubt, um die eingebaute 500-GB-Platte (lachhaft) gegen ein doppelt so großes Modell auszutauschen. Bei der PS4 Pro habe ich später per USB eine ebenfalls ein TB große externe HD angeschlossen, um den Gesamt-Speicher des Systems auf zwei TB zu pimpen. Und selbst damit bin ich schnell an eine Grenze gestoßen.

Und jetzt? Jetzt will ich auch bei meinen neuen, mit superschneller SSD veredelten Konsolen den Speicherplatz aufstocken – aber die Geschwindigkeit der Generation SSD kommt zu einem hohen Preis. Bei meiner Series X muss ich stolze 240 Euro für ein zusätzliches SSD-TB latzen, das in einem eigens dafür vorgesehenen Steckplatz verschwindet. Zum Vergleich: eine stinknormale externe Festplatte dieser Größe gibt's schon für 30 bis 50 Euro.

Und bei der PS5? Fehlanzeige. Die SSD der neuen Sony-Konsole bringt es auf einen Warp-schnellen Datendurchsatz von 5,5 GB pro Sekunde – so was gibt es nicht beim Discounter um die Ecke. Die Erweiterung muss nämlich – ebenso wie bei der Series X – in einen speziellen Erweiterungs-Port der Konsole passen und darf damit (wie sonst bei derartigen SSDs üblich) über keinen eigenen Kühlkörper verfügen. Ja, klingt ganz schön teuer. Alternativ darf ich zwar eine normale USB-HD einstöpseln – aber mit der hätte sich die höhere Geschwindigkeit dann erledigt.

Ob dieser Geschwindigkeitszuwachs beim neuen Massenspeicher allerdings den hohen Preis wert ist, wird die Zeit zeigen: Aktuell wird er vor allem dafür eingesetzt, den Aufenthalt im gefürchteten Lade-Bildschirm zu verkürzen. Zumindest bei der flotteren PS5-SSD soll er künftig für cleveres Echtzeit-Streaming eingesetzt werden. Auf diese Weise könnte man uns Ladezeiten vielleicht bald ganz ersparen und der aktuellen Level-Kulisse eine (noch) höhere Detaildichte verpassen.

Trotzdem wäre es nett, wenn die passenden Speichererweiterungen bald verfügbar wären – und das zu einem erschwinglichen Preis. Dann kann ich mich vielleicht endlich gebührend auf die Apokalypse vorbereiten. Also nicht die aktuelle "Apocalypse light", sondern die echte. Bei der ich wie Charlton Heston als "Omega-Zocker" in meiner Mutanten-sicheren Endzeit-Bude hocke, während unten der Diesel-Generator schnurrt, um meinen Heimkino- und Konsolen-Fuhrpark mit Strom zu versorgen. Endlich genug Zeit, um alles durchzuspielen – vorausgesetzt, man hat es da. Denn das Internet – das ist dann weg. Alles, was ich in dieser Zukunft zu meinem Glück brauche, ist – ganz genau – SPEICHERPLATZ! Sonst geht es mir wie der Leseratte, die sich im Angesicht des Weltuntergangs in einer Bibliothek verschanzt und der dann die Brille zerbricht. (Robert Bannert)

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