Beim Aufbauen einer Franchise ist es natürlich immer das erste Bestreben, nicht nur einen Film zu haben, sondern in Serie zu gehen. Mit jedem Film wird so nicht nur das Universum ausgebaut, sondern auch im idealen Fall der Erfolg angekurbelt. Im Lauf der Jahre gab es ein paar Game-Adaptionen, die dem Fluch trotzten. Dem, der besagt, dass ein Game-Film eigentlich nicht gut sein kann. Oder zumindest nicht erfolgreich sein kann, weil das Spielerlebnis mit seiner interaktiven Art eben ein gänzlich anderes ist als das passive Konsumieren eines Films.
Erfolge gab es im Lauf der Jahre aber dennoch. Bei LARA CROFT: TOMB RAIDER mag das auf die ins Auge stechenden Attribute der Abenteurerin zurückzuführen sein. Immerhin hatte man für die Hauptrolle des im Jahr 2001 gestarteten Films Angelina Jolie gelockt. Die war damals so etwas wie der Traum aller Männer. Lara Croft, die schon in den Games eine Sexbombe war, wurde es auf der Leinwand noch mehr!
Die Oberweite wurde etwas aufgebläht
Seit 1998 hatte man versucht, den Film zu produzieren. Unbenutzte Drehbücher wurden von Brent V. Friedman (MORTAL KOMBAT: ANNIHILATION) und Steven E. de Souza (STREET FIGHTER) geschrieben, letzten Endes war es ein Skript, das von gleich fünf Autoren, darunter Regisseur Simon West, gestaltet wurde, welches genutzt wurde. Im Vorfeld waren viele Schauspielerinnen im Gespräch, darunter Jennifer Love Hewitt, Famke Janssen, Jennifer Lopez, Rhona Mitra, Elizabeth Hurley, Ashley Judd, Sandra Bullock, Catherine Zeta-Jones, Diane Lane, Demi Moore und Denise Richards. Angelina Jolie war Simon Wests Favoritin, aber nicht unumstritten. So manchem Fan war ihre Oberweite zu klein. Gegenüber "NY Rock" erklärte sie: "Ich bin nicht flachbrüstig. Wenn ich ein enges T-Shirt trage, sehe ich auf eine bestimmte Art und Weise aus. Es war also nicht so, als ob man mich komplett hätte verändern müssen." Die Oberweite wurde etwas aufgebläht – mit dem richtigen Füllmaterial.
Ob das den Erfolg ausmachte? Der Film spielte auf jeden Fall weltweit fast 275 Millionen Dollar ein – bei einem Budget, das steuervergünstigungsbereinigt gut 70 Millionen Dollar ausmachte. Die Kritiken waren jedoch vernichtend. "Variety" bezeichnete den Film als noch weniger originell und noch weit dümmer als das Spiel, auf dem er basiert. Dem Publikum schien das nichts auszumachen. Zumindest kam es beim ersten Film in Scharen, die Enttäuschung stellte sich erst beim Sehen selbst ein. Das Einspiel stimmte aber und so kam schon 2003 LARA CROFT – TOMB RAIDER: DIE WIEGE DES LEBENS in die Kinos. Simon West hatte mit diesem Film nichts mehr zu tun, das Skript schrieb Dean Georgaris, während Jan de Bont, der zuvor vor allem als Kameramann brillierte, die Regie übernahm. Die Story hatten Steven E. de Souza und James V. Hart entwickelt. Mit Gerard Butler stellte man Angelina Jolie einen Mann zur Seite, dessen Stern gerade am Aufgehen war. Inhaltlich war das Ganze durchaus etwas besser als der Vorgänger-Film, der große Wurf ist aber auch dieser Film nicht geworden.
Das Sequel wurde minimal besser besprochen, das Publikum war mehrheitlich vom ersten Teil aber enttäuscht und ging darum nicht ins Kino. Bei einem Budget von 95 Millionen Dollar spielte der zweite Teil so nur 156 Millionen Dollar weltweit ein. Ein herber Absturz. Ein dritter Teil war zwar noch angedacht, Angelina Jolie hatte aber keine Lust mehr. Man hätte zwar neu besetzen können, angesichts der Erfolgskurve war das Interesse an einer zeitnahen Fortführung aber nicht gegeben. Bis zum nächsten filmischen Einsatz der Grabräuberin sollten 15 Jahre vergehen.
Die neue Lara Croft
Einen neuen Versuch gab es erst viele Jahre später mit TOMB RAIDER (2018), in dem eine Art Ursprungsgeschichte erzählt wird und man so miterlebt, wie aus Lara Croft die Abenteurerin wird, die man aus den Games kennt. Denn der Film stößt den Zuschauer nicht mitten hinein in die TOMB RAIDER-Mythologie, sondern erzählt im Grunde, wie Lara wurde, wer sie ist – analog übrigens zu typischen Superhelden-Filmen, an deren Anfang auch immer die Entstehungsgeschichte steht. Die Hauptrolle ging an die Schwedin Alicia Vikander. Zuvor war Daisy Ridley nach ihrem Erfolg mit den neuen STAR WARS-Filmen im Gespräch. Oder besser: Es war ein Gerücht. "Das verrückteste Gerücht, das ich jemals über mich gehört habe", erklärte Ridley später. Der Film nimmt das zehnte Spiel der Reihe zum Vorbild, mit dem im Jahr 2013 die Games rebootet wurden. Vikander erhielt nicht nur schmeichelhafte Kritiken, überzeugt aber zumindest, weil die Figur hier nicht zum Objekt stilisiert wird. Vikanders Lara Croft ist menschlicher, authentischer, aber nicht weniger kampfstark. Vikander agierte unter der Regie des Norwegers Roar Uthaug.
Wie eine in Ärsche tretende Audrey Hepburn
Auf einige der Trademarks, die man mit Lara Croft verbindet, muss man verzichten, so auch auf die zwei silbernen Pistolen, die sie immer mit sich herumträgt. Die kommen erst in der Nachklappe ins Spiel. Bis dahin erlebt man jedoch mit, wie aus Lara Croft die Frau und Heldin wird, die man aus den TOMB RAIDER-Spielen kennt. Das ist clever gemacht, da sich der Film damit zu den vorangegangenen in etwa so verhält, wie es Christopher Nolans BATMAN BEGINS zu den vorherigen Teilen á la BATMAN UND ROBIN getan hat. Die Geschichte wird ernsthafter, aber auch interessanter, weil man miterleben kann, wie die Figur geformt wird.
Der Film spielte fast dieselbe Summe ein wie der erste Teil aus dem Jahr 2001. Inflationsbereinigt war das natürlich weniger. Er lief im Rest der Welt weit besser als in den USA. Die Kritik war auch wohlwollender. Bei www.rogerebert.com wertete man: "Dies ist ein wunderbar gemachtes und unprätentiöses Stück Action-Kino, mit einer ganzen Reihe von Sequenzen, die so atemberaubend wie umwerfend sind, und einer Helden, die elegant und tödlich zugleich ist: Wie eine in Ärsche tretende Audrey Hepburn". Ein zweiter Teil wird produziert. Schon 2019 wurde am Drehbuch getüftelt. Im April 2020 sollten die Dreharbeiten unter der Regie von Ben Wheatley beginnen, wurden jedoch wegen der Corona-Krise verschoben. Wie es heißt, soll das Augenmerk beim zweiten Teil stärker auf den übernatürlichen Elementen der Spiele liegen. Der Kinostart war für 2021 vorgesehen, wurde nun aber auf unbestimmte Zeit verschoben.
Horror geht immer
Im Jahr 2006 kam SILENT HILL in die Kinos. Der Film adaptiert das Spiel aus dem Jahr 1999. Roger Avary (KILLING ZOE) war am Skript beteiligt, Christophe Gans (DER PAKT DER WÖLFE) inszenierte mit sicherer Hand und lieferte einen visuell beeindruckenden Film ab. Seit den frühen 2000er Jahren hatte der Franzose Gans das Projekt verfolgt. Fünf Jahre versuchte er, die Filmrechte von Konami zu erwerben, er überzeugte die Firma schließlich mit seinen Plänen, aber auch seiner extremen Passion für die Reihe. Zugleich zeigte Gans dann auch, dass sich Horror-Games vielleicht besser adaptieren lassen als andere. Weil ihre Geschichten sich besser anbieten und sehr viel über Stimmung und Atmosphäre geht. Etwas, das sowohl das Spiel, als auch der Film zur Genüge haben.
Bei einem Budget von 50 Millionen Dollar spielte er weltweit fast 120 Millionen Dollar an den Kinokassen ein. Für das Studio war ein Sequel darum interessant und doch dauerte es sechs Jahre, bis SILENT HILL: REVELATION (2012) in die Kinos kam. Gans war terminlich nicht frei, Avary hatte nach einer ersten Drehbuchfassung andere Probleme – er hatte betrunken jemanden totgefahren und musste sich vor Gericht verantworten.
Die Produzenten wählten M.J. Bassett, die als Autorin und Regisseurin das Projekt vorantrieb. Ein Vorteil: Der Film konnte mit deutlich geringerem Budget produziert werden. Nur 20 Millionen Dollar waren angesetzt, wobei er 55 Millionen einspielte. Bassett war danach an einem Sequel interessiert, wollte sich aber eher von den Comics, als den Spielen inspirieren lassen. Im Jahr 2020 erklärte Christophe Gans, dass er das Skript für einen neuen Film entwickeln würde. Ob er auch die Regie übernehmen wollen würde, ließ er ungeklärt. Wohl, weil Gans eigentlich immer an vielen verschiedenen Stoffen arbeitet. Eine Rückkehr zur Visualität des Originalfilms wäre aber sicherlich nicht das Schlechteste.
Der größte Erfolg
Auch RESIDENT EVIL (2002) basiert auf einem Horror-Game. Zugleich ist die von der deutschen Constantin produzierte Reihe der wohl größte Erfolg im Bereich der Game-Adaptionen. Bis heute gab es sechs Kinofilme, die eine große, aufeinander aufbauende Geschichte erzählen. In Produktion befindet sich eine Fernsehserie für Netflix. Damit nicht genug, wurde auch ein weiterer Film angekündigt, mit dem die Reihe Neuland betreten wird.
Über die wechselhafte Geschichte von RESIDENT EVIL, über die jahrelangen Bemühungen, den Stoff ins Kino zu bringen, und über den Mann, der die Reihe wie kein anderer geprägt hat, gibt es in der nächsten IGM-Ausgabe mehr zu lesen. [Peter Osteried]